Bodenstedt, Friedrich [1881]
Die Lieder und Sprüche des Omar Chajjâm. Verdeutscht von Friedrich Bodenstedt. Breslau, Schletter'sche Buchhandlung (E. Franck), 1881
Der Tropfen hat ob seiner Trennung vom Weltmeer geklagt,
Drauf hat lächelnd das Weltmeer zum Tropfen gesagt:
Wir sind Eins in der Gottheit, in Wahrheit untrennbar,
Was zu trennen uns scheint, ist ein Punkt kaum erkennbar.
Ich bin in stetem Kampf mit meinem Herzen, - was soll ich thun
Erinn'rung früh'rer Schuld macht mir viel Schmerzen - was soll ich
thun?
Verzeihst Du, Herr, auch gnädig meine Sünden:
Das Schuldbewußtsein ist nicht auszumerzen, - was soll ich thun?
Glaub nicht, daß Furcht vor der Welt mich quäle,
Oder Furcht vor dem Tod und der Flucht der Seele!
Nichts fürcht' ich, als, wenn sie mich einst begraben:
Nicht würdig genug gelebt zu haben.
Vor Gottes Auge Wahrheit gilt allein,
Doch vor den Menschen gilt nur Trug und Schein.
Einst ging ich auch mit Trug und Schein im Bunde,
Doch Wahrheit riß den Lügenbau zu Grunde.
Du in der ganzen Welt mein höchstes Ziel und Streben,
Mir theurer als das Licht der Augen, Seel' und Leben:
Schätzt man das Leben auch als höchstes Gut,
Mit Freuden hundertmal für Duch würd' ich es geben!
Oeffne die Pforte mir, Du kannst es allein!
Zeig mir den Weg, der zu Dir führt ein!
Aller Sterblichen Hülfe ist mir unzulänglich,
Nur Du führst zum Heil, das, wie Du, unvergänglich!
Wenn Du mich Anfangs bestimmtest, mich selbst zu erkennen,
Warum triebst Du mich dann, von mir selbst mich zu trennen?
War's Dein Wille, mich zu verlassen, nicht von vornherein,
Warum in den Wirwar der Welt warf mich Dein Zorn herein?
Bald verhüllßt Du den Augen der Menschen Dich ganz,
Zeigst bald Dich in Bildern der Schöpfung voll Glanz.
Für Dich selbst schaffst Du Alles an Wundern so reich,
Bist Inhalt der Schauspiels, Zuschauer zugleich.
Du, dessen heilig Geheimniß wir nicht verstehn,
Siehst nicht auf unseren Gehorsam noch unsere Vergehn.
Die Sünde beugt mich, die Hoffnung erhebt mich,
Das Vertrauen zu Dir, Allbarmherziger, belebt mich.
Kein Herz hat ohne Dich ein wahres Leben,
Kein Lichtgeist, der nicht gänzlich Dir ergeben,
Und ob Du Dich auch selbst um Niemand kümmerst,
Strebt Jeder doch zu Dir sich zu erheben!
O Herr, kein Frömmler kann Dich hier
In deiner Gnade schätzen wie wir.
Ein Fremder kann Dich nicht erkennen,
Wie die sich Deine Freunde nennen.
Man sagt, daß Du die Sünde rächtest
Und alle Sünder zur Hölle brächtest;
Wir glauben das nicht, trotz unsrer Schuld,
Und bauen fest auf Deine Huld.
Die ganze Welt ist in trostlosem Suchen nach Dir befangen,
Der Derwisch wie der Nabob ist ohne Mittel zu Dir zu gelangen,
Deinen Namen nennt Jeder, aber Alle sind taub,
Du erscheinst jedem Auge, doch sie sind alle verhangen.
Wenn die Himmel sich spalten,
Und die Sterne erkalten,
Dann auf Deinem Pfade,
Herr der Strafe und Gnade,
Will ich Dich fragen,
Du sollst mir sagen:
Warum nahmst Du das Leben,
Das Du selbst mir gegeben?
Ich bin ein Sclav', der die Kette bricht -
Wo ist Dein Wille? er hemmt mich nicht.
Mein Herz ist schwarzer Sünden voll -
Wo ist Dein Licht, das mir leuchten soll?
Kommt nur der Fromme in's Himmelreich,
So kommt der Lohn dem Verdienste gleich -
Wo aber bleibt bei unsrer Schuld
Dann dein Erbarmen, Deine Huld?
Deine Barmherzigkeit macht keine Furcht in mir rege,
Deine Fürsorge schützt mich vor Mangel allerwege,
Deine Gnade macht weiß mein Angesicht,
Und vor dem schwarzen Buche erschreck' ich nicht.
So etwa zweiundsiebzig Sekten die Welt der Gläubigen zählt,
Als einziges aller Dogmen hab' ich die Liebe zu Dir erwählt.
Was ist mir Glaub' und Ketzerei? mein einziges Ziel bist Du!
Mag Jeder glauben was er will: ich strebe Dir nur zu!
Ich mag lieber mit Dir sein in der Schencke,
Um dir Alles zu sagen, was ich denke,
Als ohne Dich vor die Kanzel treten,
In gedankenlosen Worten zu beten.
Ja, Du Schöpfer aller Dinge
Im kreisenden Weltenringe,
So will ich leben und sterben,
Zum Segen oder Verderben!
Du gabst uns Triebe, die uns gewaltsam treiben,
Und befiehlst uns, wir sollen enthaltsam bleiben.
Durch diesen zwiespältigen Zustand
Kommen wir Armen zu keinem Ruhstand.
Es ist uns in unsrer Noth
Als heischte dein Gebot,
Einen vollen Weinkrug umzukehren
Und doch ihm, auszufließen, zu wehren.
Mit der Perle des Gehorsams ward ich nicht geeinigt,
Vom Staub Deiner Füße ward mein Herz nicht gereinigt:
Und doch hoff' ich vor den Thron Deiner Gnade zu treten,
Da ich nie Dich geplagt habe mit Klagegebeten.
O Du, der aller Menschen Gedanken und Herzen geprüft,
Und Jeglichen wieder erhebt, der durch Schmerzen geprüft;
Daß Du Erhebung auch mir, der in Sünden gefallen, gewährst,
Fleh' ich Dich an, o Herr! wie Du sie Allen gewährst.
O Hort meiner Seele, einem Compaß gleichen wir beiden:
Im Körper der Nadel geeint, deren Pole sich scheiden.
Um Einen Punkt drehen wir uns, die jetzt gesondert erscheinen,
Doch es kommt einst der Tag, wo die beiden Pole sich einen.
Aus Liebe zu dir will ich freudig Schmähung und Plagen,
Und - fehl' ich hierin - auch gern deine Strafen ertragen.
Ja, währte die Qual bis zum letzten Tag meines Lebens:
Ich dehnte sie gerne noch aus, und Du prüftest mich nicht vergebens.
Wär' ich mit allen Sünden der Welt beladen,
Du reichtest doch, Herr, Deine Hand mir in Gnaden.
Du verhießest sie mir, würd' ich des Elends Beute:
O laß mein Elend nicht wachsen, groß ist es schon heute.
Zur Ka'bà treibt's die Gläubigen des Propheten,
Den Kirchenglocken folgt der Christ zum Beten.
Kreuz, Rosenkranz und Kanzel will ich preisen
Wo sie den Weg zu Gott und Wahrheit weisen.
Wie thöricht, daß Dich Todesbangen quäle!
Aus jenem Nichts, davor Dir graut, wächst Alles.
Seit Jesu Hauch belebt hat meine Seele,
Sind Tod und Nichts mir Worte leeren Schalles.
Nicht blos vor den Ohren
Unwissender Thoren,
Selbst vor Nachtigallen
Darf kein Wort erschallen.
Unser Höchstes, Geheimstes zu enthüllen.
O Herr, welche Qual, dies Gebot zu erfüllen!
Ich habe vor mir des Begehrens Pforte geschlossen
Und mich gänzlich befreit von guten und schlechten Genossen.
Nur der Eine wahre Freund lebt, dem ich ganz mich ergebe,
Und es kümmert nur Ihn und mich, wie ich bin und lebe.
O, werdet nicht sorglos zu sehr geblendet
Vom Treiben der Welt! Ihr seht, wie es endet.
Führt die atmende Dasein nicht vergebens
Und haltet Euch immer zum Quell des Lebens.
Wer der Saat reiner Freude gewußt sein Herz zu erschließen,
Dem wird kein einziger Tag verloren in Schmerzen verfließen:
Sei es, daß er die Blicke vertrauend zum Himmel erhebe,
Sei es, daß ihm den Friede die Tochter der Rebe.
Wir leben in einer Liebe Bann,
Die unverständlich dem Muselmann.
Wie die Ameise, die zu Salomo kam,
Der von der armen Geschenke nahm,
So werden wir fürstlich aufgenommen
Wenn wir im Bettlerkleide kommen.
Die Liebe ist unsre ganze Habe,
Wir bringen uns selbst als Opfergabe.
Ein jegliches Herz, das die Liebe verklärt,
Gleichviel welcher Glaube die Andacht nährt,
Hat die Leuchte zum Ziel alles Höchsten gefunden,
Hat Himmel und Hölle in sich überwunden.
Dieser Wein, dessen Geist vielgestaltiger Art
In der Pflanze sich gleichwie im Thier offenbart,
Bleibt immer derselbe, ein ewiges Eins,
Nur wechselnd die Formen des Schwindenden Seins.
O Freund, die Zeit droht uns hinzuraffen,
Wir sind in der Welt nicht zum Bleiben erschaffen;
Doch so lang wir am Wein hier erfrischen uns,
Glaub', Freund, Gott selber ist zwischen uns.
O Allmächtiger, Du übst Gnade, und die Gnade ist Erbarmen;
Warum denn aus Edens Garten jagt'st Du Adam fort, den Armen?
Ist das Gnade, nicht zu strafen, wer nach Deiner Vorschrift handelt?
Gnade ist, dem zu verzeihen, der verbotene Wege wandelt.
Kann mein Gehorsam Deinen Glanz vermehren?
Kann meine Sünde Deine Macht versehren?
Verzeih' mir, Herr! Ich weiß, Du bist allein
Langsam im Strafen, doch schnell im Verzeihn.
Alle Geheimnisse kennt der Herr von Himmel und Erde,
Jegliches Haar auf dem Haupt und im Antlitz jede Geberde;
Magst Du durch Heucheln, o Thor, auch thörichte Menschen betrügen:
Glaubst Du, daß auch der Herr des Wissens getäuscht von dir Werde?
Es giebt Leute, die aus alberner Einbildung sich stolz in die Brust
werfen;
Andre, die den Blick in das Jenseits mit paradiesischer Luft werfen;
Wenn einst der Vorhang sich hebt, so werden sie lernen,
Wie sie's gemacht, o Herr, sich weit, weit von Dir zu entfernen.
Vom Unglauben zum Glauben hin ist nur ein Hauch,
Wie vom Zweifel bis zur Gewißheit auch;
So mach' uns der winzige Sprung keine Noth,
Trennt doch nur ein Hauch selbst das Leben vom Tod!
O Du, der nichts zu thun mit Sünden hat,
Sag Dem, der Einsicht dies zu künden hat:
Wie dumm die Schicksalslehre, die Dich selber
Als Quell des Uebels zu begründen hat!
Du hast mich erschaffen aus Wasser und Erde;
Was kann ich dazu?
Du schufst Alles, womit ich bekleidet werde;
Was kann ich dazu?
All mein Gutes und Böses hast Du vorausbestimmt;
Ob und wie ich nun Leib und Seele gefährde,
Was kann ich dazu?
Man sagt: von der Auferstehung geht's zum Gerichte
Und der Herr wird erscheinen mit zornigem Gesichte
Doch vom Allmächtigen kann nichts kommen als Gutes,
Darum fürchte Dich nicht, sondern sei guten Muthes!
Verzweifle nie in Deiner Sündenpein
An des Allmächtigen Gnade und Verzeihn!
Gingst Du im tollsten Rausche heut zu Grunde,
Gott strafte morgen doch nicht Dein Gebein.
Du hast unser Dasein hier seltsam geprägt
Und die seltsamsten Wahnbilder dadurch erregt.
Wie kann ich mich bessern? Ich trage Dein Siegel,
Bin, wie ich hervorging aus Deinem Tiegel.
Du, Herr, bist der Lenker von Leben und Tod,
Es kreist Himmel und Erde nach Deinem Gebot.
Wenn ich schlecht als Dein Sclav' bin, was kann ich dazu?
Der Schöpfer von Allem bist Du!
Wo ist der Mensch, der nie gesündigt hienieden? Das sage mir!
Wie lebte der, der alle Sünde gemieden? Das sage mir!
Thu' ich Böses, und Du vergiltst es mit Bösem,
Wodurch sind wir Beide denn unterschieden? Das sage mir!
Was quälst Du Dich um Schuld, die längst geschah?
Ist Gnade doch nur für die Schuld'gen da.
Drum, wer sich rühmt, daß er vom Tugendpfade
Sich nie verirrt, der findet keine Gnade.
Ich bin mit so tiefem Vertrauen zu der göttlichen Gnade geboren,
Daß ich dabei das Gefühl für Gehorsam und Unrecht verloren.
Was verschlägt es dem Herrn in seiner unendlichen Gnade,
Was wir gethan und was nicht, ob wir schief gewandelt, ob grade!
Der Koran, als heiliges Buch geweiht,
Wird doch nur gelesen von Zeit zu Zeit;
Nur der sonnige Becher lockt immer vertraulich
Zur Quelle des Lichts, und wirkt immer erbaulich.
Man behauptet, daß eine Hölle sei
Und kommt zu mir und droht damit.
Ich halte die Hölle für Narrethei.
Drum hab' ich keine Noth damit.
Denn gäb' es wirklich ein solch Verließ
Für der verliebten Trinker Heer,
So wäre morgen das Paradies
Wie meine hohle Hand so leer.
Von den Dogmen glaub nur solche, die den Geist zu Gott erheben.
Von dem Brote, das Du hast, wirst Du gern auch Andern geben.
Sprich nichts Böses, thu nur Gutes, suche keines Menschen Pein,
Und Du wirst das ewige Leben haben, sag' ich Dir. Nun bring mir Wein!
O Du, der den Mächtigen auf Erden gebeut,
Weißt Du, wann der Wein unsre Herzen erfreut?
Jeden Tag in der Woche, ganz ausnahmlos,
Und das immer so oft sich die Woche erneut.
Gott hat uns Wein verheißen im Paradiese;
Taugt Wein für jene Welt, warum nicht für diese?
Ein trunkner Araber schlug Hamsa's Kameele ein Bein ab,
Zur Sühne dafür hält der Prophet uns vom Wein ab!
Verehrungsvoll grüßt von mir den Propheten:
Zu offenbaren mir sei er gebeten,
Warum uns saure Milch mit Salz und Eis erlaubt,
Und reiner Wein verboten überhaupt?
Bringt meinem Gruß Chajjam und redet so:
Unwissender, wann sagt' ich Dir und wo,
Der Wein sei nicht erlaubt? Nur dummen Tröpfen
Gilt mein Verbot, nicht aber klugen Köpfen.
Den Koran in der einen, den Becher in der andern Hand,
Sind wir bald dem Erlaubten, bald dem Verbot'nen zugewandt.
Sind weder ganze Ketzer, noch ganz des wahren Glaubens voll;
So daß der Himmel selber nicht weiß, wie er er nehmen soll.
Man sagt, es giebt ein Paradies voll Huris, Honig und Wein,
Doch was erlaubt im Himmel ist, muß es auch auf Erden sein.
Sind Wein und Schöne Frau'n das Ziel, wohin wir dereinst gelangen,
Worin besteht die Schuld, daß wir schon hier danach verlangen?
Man sagt, es giebt ein Paradies, wo Huris uns umschlingen,
Wo klarer Wein und Honig fließt und Lebensquellen springen.
Bring' Wein! Mir scheint im fernes Glück zu dursten nicht vernünftig:
Ein Tag der Freude ist mir jetzt mehr werth als tausend künftig.
Trinkst Du jeden Tag in der Woche Wein,
Warum soll es am Freitag nur Sünde sein?
Gott geht nicht mit Stunde und Tag in's Gericht,
Ihm gilt unsre Andacht, dem Tage nicht.
Meinen Weinkrug hast Du mir zerschlagen, o Herr!
Der Wein floß in den Staub statt in den Magen, o Herr?
Die Pforte des Genusses hast Du mir verschlossen,
Ich blieb nüchtern: kannst Du das auch sagen, o Herr?
Von allen Seiten hast Du uns mit Schlingen bedroht
Und sprichst: wer hineinfällt, den trifft der Tod.
Du suchst selbst uns verlockende Fallen zu stellen
Und strafst dann, wen sie verlockt, als Rebellen.
Wir haben Alles dahingegeben,
Was die Gläubigen als ihr Höchstes erstreben;
Wir verzichten im klugen Genuß der Zeit
Auf Lohn und Strafen der Ewigkeit.
Alles sichtbare Sein
Ist nur Bild und Schein.
Nur ein Thor, wer sich einbildet,
Daß dies ein wirkliches Sein bildet.
Bist Du klug, überlaß Dich der Freude
Im traumhaften Weltgebäude,
Und befrei Dich im Geiste des Weines
Von den Bildern des Truges und Scheines.
Diesen Himmel, der uns blendet durch Glanz der Ferne,
Können wir füglich vergleichen mit einer Laterne.
Das Licht ist die Sonne, das Gehäuse die Welt,
Wir beugen uns staunen vor dem, was sie enthält.
Dieser Krug ist, wie ich, unglücklich lebendig gewesen,
In schöne Augen und Locken verliebt unverständig gewesen.
Dieser Henkel am Halse des Kruges war einst ein Arm,
Der in Umhalsung der Schönen unbändig gewesen.
Vor Dir und mir gab's Morgenröthen und Dämmerungen,
Und haben sich leuchtende Sterne auf himmlischen Bahnen geschwungen.
Wohin Du auch wandelst, Du triffst auf die Augen einst blühender
Mädchen,
Die wieder zu Staube geworden, wie einst sie dem Staube entsprungen.
Wer glaubt, daß seine eigenen Geschöpfe
Der Schöpfer tödtet! - Diese schönen Köpfe,
Reizvollen Händ' und Füße: schuf bethört
Die Liebe sie, daß sie der Haß zerstört?
Du sahst die Welt, doch was im Weltenall
Zu Deinen Augen kam, ist bloßer Schein;
Du sahst und hörtest viel, doch auch der Schall
Wie ihn Dein Oher vernahm, ist bloßer Schein;
Von einem Ende dieser Welt zum andern
Trug Dich Dein Fuß -
Nun ruhst Du aus, sinnst über manchen Fall -
Das darin wundersam, ist bloßer Schein.
Unwissender Mensch! Dieser Leib, aus Staub gewoben, ist Nichts;
Auch jenes Glanzgewölbe mit seinen neun Himmeln dort oben, ist Nichts.
Darum genieße die Freuden des flüchtigen Lebens,
Denn auch dies athmende Sein, schnell wie gekommen, zerstoben, ist
Nichts.
Einen Greis, den ich sah berauscht aus der Schenke treten,
Einen Krug in der Hand, auf der Schulter den Teppich zum Beten,
Fragt' ich: was soll das bedeuten? Und er sprach: trinke Wein.
Denn die Welt ist nur Wind sonst und staubiger Schein.
Chajjam, der die Zelte des Wissens genäht,
Versinkt einst in's Nichts mit all' seinem Geräth.
Durchschnitten wird ihm der Lebensfaden,
Und die Welt verkauft seinem Nachlaß mit Schaden.
Nur als Gürtel schlingt das Weltall sich um unser dürftig Sein,
Eine Spur nur ist der Oxus unsrer blutigen Thränenpein.
Nur ein Funke ist die Hölle selbsterzeugten Qualgeschicks,
Und der Himmel nur der Segen eines ruhigen Augenblicks.
Jetzt, wo noch mein Aug' und Odem auf den Schein der Dinge stößt,
Scheint mir, wenig Lebensräthsel geb' es, die ich nicht gelöst;
Doch mich gründlich prüfend find' ich an der Summe des Erkennens:
Was mir klar im dunklem Leben wurde, ist nicht werth des Nennens.
Die den Teppich zum Gebete mit devotem Bücken tragen,
Sind wie Esel, die des Heuchelns Werkzeug auf dem Rücken tragen.
Schlimmer als die Heiden glauben diese Islamheuchler selbst nicht
An das Wort, das sie zum Volk in heiligem Verzücken tragen.
Wie lange wirst Du Dich von Düften und Farben blenden lassen?
Wann Dein Forschen über Gutes und Böses enden lassen?
Und wärest Du der Lebensquell selber, Du müßtest
Es doch bei der Rückkehr zum Staube bewenden lassen.
Wenn der Todt mich einst weckt vom Erdentraume
Und die Hüllen sich lockern an Lebensbaume,
Um allgemach ganz zu verwettern
Und abzufallen gleich dürren Blättern,
Dann wird durch das Sieb des Körpers dringen
Die Seele, sich jauchzend nach oben zu schwingen,
Bevor noch ein Maurer sich fühlt getrieben,
Meinen Körperstaub hier unten zu sieben.
Ich weiß, wie Sein und Nichtsein sich uns offenbaren,
In Ergründung der höchsten Gedanken bin ich erfahren;
Doch all' dieses Wissen wäre nur Scheingenuß,
Wenn's nicht verklärt würde durch Weingenuß.
Halte treu mit den Freunden des Weins zusammen,
Brich mit ihnen alle Formen des Scheins zusammen,
Wie Fasten und Frömmeln. Doch immer thu' Gutes,
So Fällt die That und mein Rath in Eins zusammen.
Gerechtigkeit ist die Seele der Welt,
Die das Weltall als Körper zusammenhält.
Die Engel dienen als Sinne nur,
Und alle sonstige Kreatur,
Sammt Urstoff, drin Alles sich auflöst wieder,
Bildet des Weltenleibes Glieder.
Das ist das ewige Eins im All,
Und alles Andre Trug und Schall.
Hast Du Verstand, lern' ihn bemeistern,
Soll der Wein der Ewigkeit Dich begeistern;
Doch wenn Du nie Verstand besessen,
Kannst Du ihn und Dich selber nicht vergessen,
Dich nicht dem Schein der Zeit entheben,
Im Sein der Ewigkeit zu leben.
Es werden des Selbstvergessens Wonnen
Nicht von jedem Selbstvergessnen gewonnen.
Kein Mensch kann den Schleier der Schöpfung heben,
Uns ward nur ein Obdach auf Erden gegeben,
Die auch von Geheimnissen so erfüllt,
Daß keines Menschen Geist sie enthüllt.
Durchschaute das Herz das Geheimniß des Lebens,
So erforscht' es den Tod und auch Gott nicht vergebens.
Kannst Du heute, noch ganz bei Dir selbst, nichts gewahren,
Was wirst Du morgen, wenn ganz Dir entfremdet, erfahren?
Selbst die Leuchten des Wissens dieser Welt,
Deren Geist noch Licht zu den Sternen gesellt,
Sind, wie diese, im Verständniß
Des Göttlichen noch in Verblendniß,
Mit schwindelndem Haupt im Drehen,
Mit schwindelndem Haupt im Sehen,
Geblendet von allem Glanze
Im forschenden Blick auf das Ganze.
Durch meine Geburt ward der Welt kein Vortheil geboren;
Durch mein Scheiden wird ihr nichts gewonnen noch verloren.
Warum ich gekommen, warum ich muß scheiden,
Vernahmen noch nie meine beiden Ohren.
Keine Nacht in der ich nicht staune über mich und die Welt,
Keine Nacht, daß auf die Brust nicht ein Thränenstrom fällt.
Wie ein umgestülptes Glas ist mein Hirn nicht zu füllen
Mit den Gaben, die das Räthsel des Lebens enthüllen.
Wohl hofft' ich, daß ich in frommem Drange
Durch Saften und Beeten an's Ziel gelange,
Doch die Nüchternheit hielt nicht lange Stand,
Da sie schon bei dem ersten Schluck Wein verschwand.
Mein ganzes Wesen wird vom Zauber der Schönheit durchleuchtet
Und meine Lippe vom Trank der Erkenntniß befeuchtet.
Theilnehmen am Glück sollen alle meine Glieder,
Bis sie alle in's Ganze sich auflösen wieder.
Wie lange willst Du noch leben
In selbstvergötterndem Streben,
Im Wahn, es müsse Deine Pflicht sein,
Den Grund zu suchen von Sein und Nichtsein?
Trink' Wein! Ein Leben, das eilt zum Tod,
Folgt nur dem einen klugen Gebot,
Sich glücklich bis an's Ende zu bringen
Mit Wein und sonstigen guten Dingen.
Keiner hat noch das ewige Dunkel des Werdens durchdrungen,
Keinem ist je ein Schritt hinaus aus sich selber gelungen;
Wissen der Weisen wie Thoren,
Ganz unzulänglich ist Alles,
Was eine Mutter geboren,
Ganz unzulänglich ist Alles.
Willst Du leben in Frieden,
Lern' Entsagung hienieden.
Lerne die Bande zerreißen,
Die Gutes und Böses heißen;
Siehe: nichts hemmt in der Ferne
Den ewigen Kreislauf der Sterne,
Doch unser Lebenslauf
Hört bald im Grabe auf.
Niemand kann hinter den Vorhang des Schicksals sehen,
Niemand der Vorsehung Rathschluß verstehen.
Zweiundsiebzig Jahre lang forscht' ich eifrigen Strebens,
Ohne zu lernen, ohne zu lösen die Räthsel des Lebens.
Was sorgst Du, Freund, des Lebens Vorhang zu enthüllen,
Was quälst Du Dich, den Kopf mit unnützen Gedanken zu füllen?
Leb glücklich und vergnügt. Was ist, kam zur Erscheinung
Einst ohne Dich, und braucht auch jetzt nicht Deine Meinung.
Die dem Grabe geworden zum Raube,
Sind alle geworden zu Staube,
Die einst geeinten Bestandtheile
Weit zerstreut über die Landtheile.
Ach! Womit nur das Leben getränkt wird,
Daß es gar so seltsam gelenkt wird,
Und schwindelnden Gesichtes
Nichts sieht bis zum Tag des Gerichtes!
Wer hat je, der den langen Weg gemacht
In's Jenseits, Kunde davon heimgebracht?
Verlaß Dich, Freund, hier auf kein Hoffnungsglück,
Denn, wenn Du scheidest, kommst Du nicht zurück.
Der Himmel gab sein Geheimniß noch Keinem kund,
Schloß aber schon Tausenden von Königen den Mund.
Trink Wein, Freund: vom Tod kommt kein Leben zurück,
Und es giebt kein Glück als genossenes Glück.
Bei einem Töpfer sah ich gestern zweitausend Krüge,
Die einen stumm, die andern redend als ob jeder früge:
Wer hat uns geformt und wo stammen wir her?
Wer ist hier der Käufer, und der Verkäufer, wer?
Keinen Tag fühl' ich mich frei von den Fesseln der Welt,
Keinen Augenblick hab' ich, wo mir mein Leben gefällt.
Lange hab' ich geforscht nach dem Wechsel im Weltlauf der Dinge,
Doch mein Wissen von Himmel und Erde ist noch geringe.
Wo ist der Gewinn unsres Kommens und Scheidens?
Was bleibt von der Bürde unsres Hoffens und Leidens?
Was bleibt selbst von den herrlichsten Menschen auf Erden,
Denen der Himmel geleuchtet, um Staub zu werden?
Frag' mich nicht nach dem Wechsel von Raum und Zeit,
Auch nicht nach den Mysterien der Ewigkeit.
Betrachte die Gegenwart als Deine Beute,
Laß Vergang'nes und Künft'ges und denk nur an heute.
Willst Du Dein Ohr mir folgsam neigen
Und wahre Liebe zu Gott bezeigen,
Laß mich als guten Rath Dir sagen:
Nie den Mantel der Heuchelei zu tragen.
Zur Ewigkeit zählt jede Stunde,
Und dies Leben währt nur eine Secunde:
Willst Du um solchen Hauch von Zeit
Verkaufen das Reich der Ewigkeit?
In eitlem Hoffen schlug ich viel Zeit in den Wind,
Ohne zu wissen, was glückliche Stunden sind,
Und nun fürcht' ich, die Zeit wird nicht mehr kommen,
Dir mir giebt, was ich einst nicht selbst genommen.
Verliebt und verwirrt und berauscht sind wir heut
Von Allem, was Herzen und Lippen erfreut,
Ja, wir stehen heut, ganz von uns selber befreit,
An der Schwelle des Thrones der Ewigkeit.
Darf ich Dir sagen mit leisem Munde,
Als was ich den Menschen betrachte im Grunde?
Als ein elendes Geschöpf, das geknetet aus Staub lebt,
Und so lange es lebt, nur dem Kummer zum Raub lebt.
Nichts ward uns als Unglück und Weh in der Welt,
Wo wor flüchtig nur finden ein schützendes Zelt;
Kein Räthsel der Schöpfung wird uns hier gelöt
Und das Leben uns selbst noch im Tode vergällt.
Urewig vorgezeichnet ist der Dinge Kern;
Der Griffel bleibt dem Guten wie dem Bösen fern;
Was Gott als Schicksal vorbestimmt, muß sich vollenden,
Mag, wie er will, der eitle Mensch sich drehn und wenden.
Nicht jedem kann ich meine tiefsten Gedanken
Enthüllen: sie bewegen sich in Schranken,
Wo eingeweihte Geister nur sich finden;
Ich kann kein Licht anzünden für die Blinden.
Da die Dinge nicht werden nach unsern Entwürfen,
Und wir selbst nicht recht wissen, was wir bedürfen,
So klagen wir stets bei verlorener Müh:
Wir kamen zu spät und wir scheiden zu früh.
Wenn das launische Schicksal Dich nicht liebt,
Was kümmert's Dich denn, wieviel Himmel es giebt?
Ich mache mir um die Zeit keinen Gram,
Die schon verging und noch nicht kam.
Um Höllenfurcht und Himmelshoffnung drehn
Sich Kirchen, Synagogen und Moscheen;
Doch wer gedrungen bis zum Quell des Lichts,
Macht sich aus Himmel und aus Hölle nichts.
Da der Tod uns gewiß ist, warum sind wir geboren?
Warum uns mühen um Glück, das für uns nicht erkoren?
Da wir doch hier nicht bleiben, warum nicht vernünftig
Erwägen, wohin uns die Reise führt künftig?
Giebst Du mit leichtem Sinn
Dich Deinen Gelüsten hin,
So wirst Du Dich schänden
Und als Bettler enden.
Drum erforsche vielmehr,
Wer Du bist und woher,
Voll Bewußtsein im Handeln
Auf den Weg, der zu wandeln.
Glaub' nicht, daß Alles vom Himmel bestimmt,
Was Gutes und Böses im Menschen glimmt,
Was das Herz betrübt und das Herz erhellt,
Je nachdem es dem launischen Schicksal gefällt.
Das Himmelsrad kreist ohne Ruh
Und ist weit schlimmer daran als Du
Im Wirrsal und getriebe
Auf der Bahn der ewigen Liebe.
Kein Schild hält einem Pfeil des Schicksals stand;
Gold, Gut und Rang ist alles eitler Tand;
Im Weltlauf merk' ich prüfenden Gesichts:
Gut ist, was gut ist, und sons gilt mir nichts.
Als mich Gott geknetet aus Thon, auf Erden zu wandeln,
Kannt' er genau vorher mein Streben und Handeln.
Da ich so sündhaft nur, wie Gott es wollte, gerathen,
Warum am jüngsten Tag noch in der Hölle mich braten!
Seit das Himmelsroß läuft auf goldenen Pfaden,
Seit Jupiter leuchtet zusammt den Plejaden,
War unser Schicksal beschlossen im Himmelsrath, -
Ist's unsre Schuld, wenn wir es machen zur That?
Dieser hochragende Himmelskreis,
Der nur zu plagen und placken weiß,
Ist noch nie einem menschlichen Wesen
Ein Schwierigkeitslöser gewesen,
Hat kein Unglück verhindert,
Keine Leiden gemindert,
Doch wo er blutende Herzen gefunden,
Ihnen geschlagen noch neue Wunden.
Der Himmel scheint nichts zu thun als uns zu quälen und grämen,
Er beut seine schönsten Gaben blos um sie wieder zu nehmen.
Die noch nicht Geborenen kennen des Lebens Qual und Gefahr nicht,
Wenn sie dies Dasein kennten, sie kämen in's Dasein gar nicht.
Handle Freund, als gehörten Dir alle Schätze der Welt,
Bilde Dir ein, dieses Haus sei so schön für Dich nur bestellt;
Lebe vergnügt darin, aber betrachte dieses Haus
Nur als Absteigequartier: bald mußt Du wieder hinaus.
Im Zeitlauf, der meist nur Unwürdigen hold,
Ist mein Leben voll Kummer dahin gerollt.
Wie eine Rosenknospe zusammengepreßt
Ist mein Herz, - wie eine Tulpe mit Blut genäßt.
Da nichts dir gehört als was Gott Dir gegeben,
Quäle Dich nicht, um nach Andrem zu streben.
Laß dein Herz nicht von zu schwerer Last leiden,
Du mußt doch von Allem, was Du hast, scheiden.
O Herz, da die Welt nichts als Schatten und Schein,
Warum quälst Du Dich ab in unendlicher Pein?
Mit ruhigem Sinn geh' dem Schicksal entgegen,
Und glaub nicht, es ändre sich Deinentwegen!
Aus der Welt der Geheimnisse wollt' ich entschweben,
In eine höhere Welt hofft' ich mich zu erheben,
Wie ein Sperber war ich emporgeflogen,
Doch ward ich zur Erde zurückgezogen,
Und da ich hier Niemand gesehen
Im Stande mich zu verstehen,
So bleibt mir von diesem Leidenshorte
Kein Ausgang als die Eingangspforte.
Wir sind hier nichts als ein Spielzeug des Himmels und der Natur;
Dies ist als Wahrheit gemeint, nicht metaphorisch nur.
Wir gehen, wie die Steine im Brettspiel, durch vieler Spieler Hände,
Und werden bei Seite geworfen in's Nichts, wenn das Spiel zu Ende.
Du fragst, was dieses Gaukelspiel besage?
Nimm diese kurze Antwort auf die Frage:
Als Bilderspiel dem ewigen Meer entsprungen,
Wird's wieder von demselben Meer verschlungen.
O Himmel, Du denkst weder an Salz nocht Brot,
Nackt wie ein Fisch bin ich durch Dich in der Noth.
Der Weber sorgt doch, daß wir Kleider tragen,
Soll ein Weber an Fürsorge Dich überragen?
O Himmelsrad, Dein Kreisen will mir nicht behagen;
Befreie mich, ich bin unwerth Dein Joch zu tragen.
Beglückst Du mit Deiner Gunst am liebsten die albernsten Thoren,
So bin ich leider dazu mit zu wenig Talent geboren.
Mit des Schicksals Walten fühl' ich mich nicht in Einheit,
Mich empört meiner eignen Natur Gemeinheit;
Mir fehlt die Kunst, mir die Welt aus dem Kopfe zu schlagen,
Und die Klugheit, ihr Treiben mit Gleichmuth zu tragen.
Laßt uns die wechselnden Plagen
Des Schicksals geduldig ertragen,
Und sorgen nur für das Eine:
Uns zu trösten bei rosigem Weine;
Da der Wein das Blut der Welt ist,
Das uns zu thöten bestellt ist.
Schont sie nicht unsres Blutes,
Trinken wir ihres auch frohen Muthes.
Könnt' ich walten wie Gott im Himmelszelt,
Ich hätt' es schon längst auf den Kopf gestellt,
Um ein andres zu bauen, wie ich es verstehe,
Welches ganz nach den Wünschen der Menschen sich drehe.
O Herr, mit meinem gefangenen Herzen hab' Erbarmen!
Mit meiner Brust voll Bangen und Schmerzen hab' Erbarmen.
Mit meinen Füßen, die mich immer zum Weinhaus lenken,
Mit meiner Hand, die den Becher hebt, mich zu tränken, hab' Erbarmen!
O Herr, von der Sorge um mehr oder minder berfreie mich!
Dir zu Liebe würd' ich gern zum Selbstüberwinder; befreie mich!
Nüchternen Blickes erkenn' ich zu klar das Falsche und Aechte;
Laß mich im Rausch vergessen das Böse und Schlechte: befreie mich!
Ich bin so geworden, wie mich schuf deine Macht;
Ich habe hundert Jahr in Deiner Gnade verbracht,
Noch einmal hundert Jahre möcht' ich so sehn,
Ob größer Deine Gnade ode meine Vergehn.
Weißt Du, warum die Cypresse wird Baum der Freiheit genannt?
Und warum auch die Lilie als Blume der Freiheit bekannt?
Hundert Arme hat jene unn greift doch nicht um sich,
Und zehn Zungen hat diese und hält doch stumm sich.
O Herz, bist Du zum Festmahl der Liebe gegangen,
Wirst Du aus Dir heraus zu Dir selber gelangen.
Schnell wirst Du beim Weine des Nichts entschweben
Allen, die noch leben und nicht mehr leben.
O Schicksalsrad, Du füllst mein Herz mit Trauer
Und gönnst der Freude stets nur Kurze Dauer,
Machst, daß die Luft um mich zu Wasser werde,
Machst aus dem Wasser, das ich trinke, Erde.
O Seele, kannst Du den Leiden des Körpers entschweben,
So wirst Du den Flug zum Himmel erheben,
Wirst in den Höhen des Lichtes thronen
Nach der Schmach, in der Welt des Staubes zu wohnen.
O Rose, Du gleichst einem schönen Mädchengesicht!
O Wein, wie der Glanz des Rubins ist Dein Licht!
O Schicksal, Du erscheinst in jedem Momente
Mir fremder, - und ich glaubte doch, daß ich dich kennte!
Von der Weltküche soll nichts als Rauch Dein Gericht sein.
Wie lange wirst Du Dich noch Quälen um Sein und Nichtsein?
Diese Welt bringt nur Verlust jedem weltlichen Sinn,
Befrei' Dich davon, und der Verlust wird Gewinn!
Wir stören die Menschen nicht in ihrem nächtlichen Schlummer,
Machen nicht, daß sie zu Gott schrei'n in ihrem Kummer.
Auf Schönheit und Reichthum bau' nicht auf Erden:
In Einer Nacht kann Beides geraubt Dir werden.
O wollte Gott, es gäb' einen Ort voll Frieden,
Und wir fänden den richtigen Weg schon hienieden!
Wollte Gott, wir könnten einst aus dem Staube
Auferstehen gleich dem frischen Rasen und Laube!
Als ich das Buch der Liebe nach dem Schicksal fragte,
Hört' ich einen verliebten Weisen, der sagte:
Glücklich ist, wer der Schönheit zu Haus sich erfreut,
Die ihm Nächte von jahrlanger Glücksdauer beut.
Solang Du Knochen hast, Nerven und Adern im Leibe,
Immer standhaft im Haus Deines Schicksals verbleibe.
Weich' keinem Feind, ob es Rustem selber sei,
Nimm von keinem Freunde, und wär' dieser Hatem-tai.
Du magst Dich an Wein und Rubinenlippen erfreuen,
Dich mag der Klang der Harfe, der Trommel und Flöte zerstreuen:
Dies Alles ist nichts, wie Du selbst, Gott mög' es bezeugen,
So lange Du Dich dem Zwang dieser Staubwelt mußt zeugen.
Beweg' Dich unter diesem starren Himmelszelt,
Trink' Wein zum Trost in dieser Trauerwelt,
Da, was vom Staub ersteht, im Staub geht unter,
Zeig, daß Du noch darauf bist, nicht darunter!
Da Du alle Geheimnisse kennst, mein Knabe,
Warum quälst Du Dich ab in Furcht vor dem Grabe?
Wenn die Welt auch nicht Alles nach Wunsch Dir treibt,
Sei munter, so lange Dein Odem Dir bleibt!
O Schicksalsrad, dein Rollen ist Verderben,
Das Herrlichste und Schönste läßt Du sterben;
Grausamer asl die Erde noch bist Du,
Die so viel Schätze deckt mit Erde zu!
O du armes Herz, das sich blutig quält,
Weil Dir keinen Tag Fülle des Unglücks fehlt,
Sag, Seele, was führte Dich in meine Brust,
Die Du doch bald wieder verlassen mußt?
Den morgigen Tag kannst Du heute nicht sehn,
Schon den bloßen Gedanken daran nicht verstehn,
Drum wachsamen Geistes verbring nicht vergebens
Das unwiederbringliche Heute des Lebens!
Mann muß nicht unnütz an jede Pforte pochen!
Gute Tage versöhnen mit schlimmen Wochen;
Die goldenen Kugeln, die Deine Blicke
Dort oben erspähn, werfen deine Geschicke.
Durchforscht hab' ich die unbeständige Welt,
Die wir so kurz bewohnen, ohne Ruh,
Doch fand ich keinen Stern am Himmelszelt,
Auf Erden keine Blume schön wie Du!
Dies ist die Zeit, wo die Welt sich schmückt mit Grün,
Wo, wie Mosis Hand, alle Zweige von Knospen glühn,
Wo die Pflanzen sprossen wie von Jesu Odem belebt
Und die Wolke weinend sich selbst begräbt!
Schlank wie die Cypresse seh ich Dich prangen,
Von gutem Geruch, zart wie Tulpen die Wangen,
Doch bleibt mir's ein Räthsel, warum in die Wildniß
Des Lebens der Schöpfer gezaubert dein Bildniß.
Ach, des Lebens Mai naht dem Ziele,
Vorbei sind die Freuden und Spiele!
Dieser Vogel der Fröhlichkeit,
Genannt die Jugendzeit,
Schwang fort sein Gefieder
Und kommt nicht wieder!
Ich weiß nicht, wann er gekommen
Und wohin den Weg er genommen.
Eh' Du ein Opfer wirst der Pein des Lebens,
O Holde, trink den rosigen Wein des Lebens.
Der Thor nur glaubt, daß man wie Gold ihn nieder
In's Grab senkt und als Gold herauszieht wieder.
Du holdes Geschöpf voll süßer Schelmereien,
Sitz' nieder, mein gefangenes Herz zu befreien.
Dein Reiz zwingt mich sonst, das Auge zu schließen,
Wie den Becher zu senken, ohne Wein zu vergießen.
Meine Liebe hat ihre Höhe erreicht
Für eine Schönheit, der keine gleicht,
Mein Herz spricht glühend in Einem fort,
Doch der Zunge fehlt das Erlösungswort.
Nie hat man Wundersam'res gesehn:
Ich muß in brennendem Durst vergehn,
Und vor mir springt die Quelle
Des Lebens frisch und helle!
Meine Liebe (sie lebe so lange wie mein Gram!)
War mir heut wieder freundlich ganz wundersam;
Ihr Aug schoß in meines, als wollte sie sagen,
Thun wir Gutes, ohne nach Lohn zu fragen!
Wie viel Nächte vergingen mir ohne Schlaf,
Weil der Schmerz unerträglicher Trennung mich traf!
O, erhebe Dich, ehe der Tag sich erhebt,
Der noch oft sich erhebt, wenn Du ausgelebt.
Der Lenz hat mir durch seine Rosen geboten
Etwas zu verüben, was im Koran verboten:
Ich soll Menschenrosen mit duftigen Locken
Durch Wein zu den Rosen im Garten locken.
So oft wir uns freuen im frischen Grün
Und sonnig uns Augen und Wangen glühn,
Denk' ich, hüpfen die Schönen durch's Grün so munter:
Jetzt springt Ihr darauf, und einst liegt Ihr darunter!
Nun, da die Nachtigall singt im Gartenland,
Nimm, sie zu grüßen, den Becher zur Hand.
Erschließ, wie die Rosen, der Freunde Dein Herz
Und räche Dich für allen Erdenschmerz!.
Gerstern saß ich mit der Liebsten am Bachesrand,
Vor mir eine Schale mit rosigem Weine stand,
Eine Muschel, so strahlend von Perlenpracht,
Als sei schon das Frühroth am Himmel erwacht.
Mein thörichtes Herz, voll unsäglicher Pein,
Kann sich doch nicht vom Rausch seiner Liebe befrein,
Wel am Tag, wo der Wein dieser Liebe geschenkt ward,
Mein Theil vom eigenen Herzblut getränkt ward.
Sieh, wie der Lenzhauch die Rosen erneut,
Sieh, wie ihre Schönheit die Nachtigall freit!
Freu' Dich auch, sitz' unter den Rosen nieder:
So oft sie erblüthen, verblüthen sie wieder.
O Du, deren Mund eine Lebensquelle:
Daß er nie sich dem Munde des Bechers geselle!
Eher trink' ich sein Blut aus bis zum Grunde,
Eh' ich ihm Küsse erlaube aus Deinem Munde!
Hier sind wir nun Alle in Liebe gesellt,
Befreit von den Plagen und Wirren der Welt;
Wir haben den Kelch der Liebe getrunken
Und sind ganz in Frieden und Wonne versunken.
Du erfreu' Dich im Garten bei Wein und Liebe,
Und halt' Dich fern von allem scheinheiligen Getriebe.
Folgst Du Muhammed's Wort, so trink' vom Getränke
Das Ali Dir beut als himmlischer Schenke.
Jetzt ringsum wähn' ich die grünen Auen
Und die Quellen des Paradieses zu schauen,
Als wär' ein Stück Himmel der Hölle entstiegen.
Laß eine himmlische Schöne darin Dich umschmiegen!
Da jetzt noch die Macht in Deiner Hand ist,
Gieb Trost dem Herzen, das für Dich in Brand ist:
Deiner Schönheit Reich wird nicht immer bestehn,
Wird wie andre zerfallen, eh Du Dir's versehn.
Eh der Kelch Dich berauscht, den der Tod Dir beut,
Eh Dich die Verwüstung der Jahre bedräut,
Sei bedacht, daß Du hier schon Dein Theil gewinnst,
Damit Du dort nicht mit leeren Händen beginnst.
Ich kann Dich nicht erlangen
Und muß doch an Dir hangen,
Muß das Schwerste um Dich tragen
Und darf es Keinem klagen.
O welch seltsamen Leiden,
Dich nah, wie der Hauch, zu meiden,
Und mich doch selig fühlen,
Während Qualen mich durchwühlen!
Sei willkommen, Du meiner Seele Ruh!
Ich seh' Dich und frage: bist's wirklich Du?
O um Gottes, nicht meinentwillen, trink Wein,
Daß ich sehe, Du bist es, mich trügt kein Schein.
So schön, wie den schönsten Lippen entsprungen
Hält der blumige Rasen den Bach umschlungen.
Betritt nicht verächtlich dies zarte Grün,
Drin vergangenen Schönheiten neu erblühn.
O Freund, da Dich der Gedanke durchschauert,
Daß die Seele im Körper nicht lange dauert,
Erfreu' Dich des Lebens im frischen Grün,
Eh' Blumen aus Deinem Staube erblühn.
Auf Erden hielt Niemand fest eine rosige Schöne umschlungen,
Ohne daß von ihr ein Dorn in's Herz ihm gedrungen.
Sieh, dieser Kamm selbst konnte der Schönheit duftige Strähne
Dann erst küssen, als man ihm gehörig geschnitten die Zähne.
Wie traurig, zu sehn, daß die edelsten Spenden
Der Erde sind meist in unwürdigen Händen!
Selbst die Schönheiten, die uns zum Höchsten begeistern:
Macht, Wahn und Rohheit dürfen sie meistern.
Dieser Prachtrubin kommt aus besonderem Schacht,
Diese Perle ist von ganz besonderer Pracht;
Aller Daseinswunder Räthsel erklärt
Sich nur aus der Liebe besonderer Macht.
Wer hat Dich trunken zu uns geführt diese Nacht?
Dich entschleiernd Dein Antlitz berührt diese Nacht?
Wer ist es, der schnell wie der Wind Dich entführend,
Das Feuer in mir noch mehr schürt diese Nacht?
Von Wolkenschleiern sind noch die Rosen verhüllt,
Mein Verlangen nach Wein ist noch nicht ganz erfüllt.
Geh nocht nicht schlafen, o Herz, sei noch munter;
Sieh, die Sonne am Himmel geht auch noch nicht unter.
Ich trinke Wein und die Gegner klagen
Von links und rechts mich an und sagen,
Es sei der Wein des Korans Feind;
Da ich das auch bin, wie mir scheint,
Will ich erst recht am Wein mich laben,
Da wir im Koran gelesen haben
Der Feinde Blut zu trinken, sei
Erlaubt - und ich bin gern dabei.
Ja, ich trinke gern Wein, und wer klaren Gesichts ist
Wie ich, der weiß, daß vor Gott dies Nichts ist.
Von ewig her kennt Gott meine Liebe zum Wein,
Soll ich ihn nun nüchtern des Irrthums zeihn?
Es ist die Jugend, der Wein und Liebe gehört,
Doch da das Wasser schon vor uns die Welt zerstört,
So setzen wir die Zerstörungsgeschäfte
Beim Weine fort, soweit reichen die Kräfte!
Ich weiß nicht, ob, wer Lebensodem in mich blies,
Kam von der Hölle her oder vom Paradies;
Derweil ich hier bei Wein und Spiel von schöner Hand,
Was Ihr im Paradiese sucht, schon lange fand.
Da das Leben so kurz ist, genießen wir's gründlich beim Weine,
Erfreuen uns herzlich und laben uns mündlich beim Weine.
Man sagt: "Gott verbietet den Wein", - ich aber glaub's nicht,
Und wär's eine Sünde, ich bliebe auch sündlich beim Weine.
Sink' ich häuptlings dem Engel des Todes zu Füßen,
Wie ein gerupster Vogel mein Leben zu büßen,
So macht eine Weinflasche aus meinem Staube;
Vielleicht belebt mich dann wieder der Geist der Traube.
Ich bin nicht werth, in den Himmel noch in die Hölle zu kommen;
Gott weiß, welchen Thon er, mich zu kneten, genommen.
Ich bin ein Freigeist und häßlich; zwar leidlich vernünftig,
Doch glaub' ich nichts hier und hoffe nichts künftig.
Deine Leidenschaft, Mensch, gleicht dem Hunde im Haus,
Wie sein heisres Gebell roh drückt sie sich aus;
Sie ist schlau wie ein Fuchs, in Allem unmäßig,
Wie ein Tiger wüthig, wie ein Wolf gefräßig.
Scheint mein Gesicht Euch wie ein Buch,
Gezeichnet von der Sünde Fluch,
So hoff' ich doch auf einen Vermittler
Noch mehr als meine gläubigen Krittler,
Und bricht mein Lebensglas in Scherben,
Will ich beim Glase Weines sterben
Aus Dessen Hand, der mir das Leben
Und Liebe, Licht und Wein gegeben.
Kein Rauch entsteigt dem Feuer meiner Sünden,
Niemand kann mir ein bessres Schicksal gründen.
Empören kann mich, was die Lüge spricht,
Mir helfen und mich ändern kann es nicht.
Mein Leben lang besang ich den Wein
Und allen Zubehör obendrein.
O Frömmler, mögest Du glücklich werden
Im Glauben, der Weisheit zu folgen auf Erden!
Doch wünsch' ich, daß Du von mir lernst,
Indem Du Dich von mir entfernst,
Daß diese Weisheit, die Dich führt,
Mich selbst zum Lehrer hat erkürt.
Verlästert mich der Menschen Mund,
Geb' ich dazu doch keinen Grund.
O Heilige, seht Euch selbst in's Herz,
Statt fromm zu ängeln himmelwärts.
Ihr lästert mich und klagt mich an,
Ich lebe nicht als Muselmann,
Und doch hab' ich keine Sünden begangen,
Die Nicht an Wein und Liebe hangen.
Wie könnte meine Hand, gewohnt den Becher zu nützen,
Zum Koran greifen und gar sich auf die Kanzel stützen!
Du bist ein trockner Heiliger, mich nähren feuchte Flammen,
Wir beide passen so wenig wie Wasser und Feuer zusammen.
Noch Keiner ist wiedergekommen
Von Allen, die uns genommen,
Uns zu sagen, wie ihm geschehn ist
Und was hinter dem Vorhang zu sehn ist.
O Frömmler, die Demuth allein,
Führt Dich in's Himmelreich ein,
Auf Gebete ist nicht zu zählen,
Wo Demuth und Wahrheit fehlen.
Wie lange red' ich Euch noch von meiner Unwissenheit?
Und meines Herzens qualvoller Zerrissenheit?
Dieser Weg wird mich gar bis zur Kanzel führen
In muselmänn'scher Glaubensbeflissenheit.
O Chajjam, bist Du von Wein trunken, freue Dich!
Entzünden Dein Herz schöner Augen Funken, freue Dich!
Da das Ende der irdischen Dinge das Nichts ist,
Umsomehr, bis Du selber in's Nichts versunken, freue Dich!
Zähl' einfach meine Tugenden und zehnfach meine Sünden,
Doch Gott zu Liebe mußt Du mir für diese Gnade verkünden.
Statt durch den Hauch der Leidenschaft des Hasses Glut zu schüren:
Zu Ehren des Prophetengrabs laß zum Verzeihn Dich rühren.
Fliehn uns die Rosen, sind die Dornen um so treuer,
Fehlt das Glaubenslicht, winkt uns das Höllenfeuer.
Werden wir hier keiner Scheiche und Bethäuser froh,
Giebt's Glocken und Kirchen doch anderswo.
O Mufti, Richter der Stadtbezirkung!
Meine Wirkung ist besser als Deine Wirkung;
Treibst Du Dein Geschäft auch zünftiger,
Treib' ich meins doch, im Rausch selbst, vernünftiger.
Du trinkst das Blut Aller, die an Dich glauben,
Und ich trinke nur das Blut der Trauben.
Richte gerecht, um zu unterscheiden,
Wer der Blutgierigste ist von uns beiden.
Wie lange, unwissender Frömmler, willst Du noch fluchen
Auf uns, die das flüchtige Glück im Weinkruge suchen!
Beim Rosenkranz heuchelst Du Demuth und sinnst nur auf Ränke,
Während wir nur auf Liebe bedacht sind und gute Getränke.
Mehr als Persiens und China's Thron
Gilt mir eine Flöte mit gutem Ton,
Mehr als Turban und Seidengewand
Glit mir ein gutes Glas Wein in der Hand.
Fort mit dem Heiligenglanz,
Fort mit dem Rosenkranz,
Der eine ganze Heuchlerwelt
An seiner Schnur zusammenhält.
An dem Tage, wo kein Wein mir zu Kopfe steigt,
Beut die Welt mir Gift, das auf Gegengift zeigt.
Ja, Gift ist der weltschmerz, und es wird nur unschädlich
Durch Wein, der immer als Gegengift räthlich.
Wie lange soll und das Leben von jedem Wichte vergällt werden?
Wie lange sollen wir vom Feuer der Welt verbrannt, statt erhellt werden?
Du erhebe dich über den Weltschmerz, wenn Du ein Mann bist,
Fetsttag ist heute, beim Wein laß Dir zum Festort die Welt wreden!
Da diese Welt uns nicht gönnt hier beständig zu leben,
Wär's ohne Wein und Geliebte unverständig zu leben.
O Mann des Friedens, wozu streiten, wie alt die Welt sei:
Verlassen wir sie, ist's uns doch einerlei.
Obgleich ich die Moschee voll Andacht betreten,
Bin ich doch nicht gekommen, darin zu beten.
Ich wollte nur selber sehn und hören,
Wie die frömmelnden Heuchler das Volk bethören.
Wenn ich trunken von altem Weine bin,
Nun so bin ich's!
Wenn ich ein Mitglied der Ketzergemeinde bin,
Nun so bin ich's!
Jeder hat von mir eine eigene Meinung,
Wenn ich voreingenommen für meine bin, -
Nun so bin ich's!
Seit ich athme, bin ich keinen Augenblick nüchtern gewesen;
Heut ist eine heil'ge Nacht, so recht zum Trinken erlesen;
Zärtlich halt' ich am Busen die Flasche geborgen,
Lippe an Lippe weil' ich beim Glas bis zum Morgen.
Ja, ich bin ein Freund vom Weine, aber nicht, um auszuschweifen,
Oftmals strech' ich mein Hand aus, doch nur, um zum Glas zu greifen.
Ja, ich bin ein Weinanbeter, Dir zum Trotz und andern Spöttern,
Um, hierin von Euch verschieden, mich nicht selber zu vergöttern.
Wir haben uns den Weinkrug zum Betpult erlesen,
Den der Wein erst schafft menschenwürdigesWesen,
Und im Weinhaus nur ist Ersatz zu sehn
Für die Zeit, verloren in den Moscheen.
Hab' ich an den Tagen des Ramasan Speise genossen,
Glaub' nicht, daß ich sie unbedachtsamer Weise genossen:
Die Fastenqual hatte den Tag mir in Nacht verwandelt,
Und so hab' ich am Tage wie sonst in der Nacht gehandelt.
Wir haben immer den Kopf von Wein belebt,
Der den Geist unsres frohen Kreises erhebt;
Frommer Eifrer, schlag Deinen Tadel nieder,
Denn wir lieben denWein und er leibt uns wieder.
Vor allem Lärmen im Weinhaus nehmt Euch in Acht,
Geht hinein, aber ja kein Geräusch gemacht!
Verkauft den Turban und auch den Koran für Wein;
An der Moschee geht vorbei, aber geht nicht hinein!
Jeden Morgen lenk' ich zum Weinhaus den Schritt,
Und heuchelnde Derwische laufen gern mit.
O Du, deß Blicke mein Herz durchdringen,
Gieb mir Glauben, um mich zum Beten zu bringen!
Man sagt mir: trink weniger Wein!
Warum läßt Du's nicht ganz lieber sein?
Ich sprach: mein Grund liegt theils
Im sonnigen Quell des Heils,
Theils in der Liebsten Gesicht.
Nun verleugne die Wahrheit nicht
Auf die Frage aus meinem Mund:
Giebt's einen klareren Grund?
Das Herz zu erheben durch Wein und Liebe,
Ist besser als heuchlerisch Andachtsgetriebe.
Wenn Verliebte und Trinker zur Hölle sollen,
So wird in den Himmel bald Niemand mehr wollen.
Auf Alles kann ich verzichten, nur auf den Wein nicht;
Denn Alles kann ich ersetzen, nur ihn allein nicht.
Soll ich Muselmann heißen, um allen Wein zu verschwören?
Nein, ich ertrüg' ohne ihn dies muselmännische Sein nicht.
Unsre Herzen sind alle von Wein und von Liebe in Flammen,
So sitzen wir schwärmend im Kreise der Schwärmer beisammen,
Vergessend, was gut und was schlecht, was Wahn und was Wahrheit,
Verlange kein Urtheil von uns, der Wein nahm den Köpfen die Klarheit.
Wir haben alle Gelübde der Entsagung gebrochen,
Wollen weder auf guten noch auf schlechten Ruf pochen;
Drum schmäht nicht zu sehr unser seltsam Getriebe:
Da wir alle berauscht sind vom Wein hoher Liebe.
Guter Wein gilt mir mehr als ein neues Reich,
Nichts kommt in der Welt seinem Werthe gleich.
Ein Krug steht an Werth über Feridun's Throne,
Und der Deckel des Krugs über Kai Choßrew's Krone.
Nie wirst du den Schleier der Geheimnisse heben,
Nie das Ziel erreichen, das die Weisen erstreben,
Darum beim Wein such' den Himmel hienieden,
Wer weiß, ob im Jenseits Dir einer beschieden!
Alle, die uns schon verlassen haben, o Freund!
Sind im Staube ihres Stolzes begraben, o Freund!
Trinke Wein und vernimm meine Worte der Wahrheit:
Wind war Alles, was sie geredet haben, o Freund!
Von Weitem kam zu uns ein schmutziger Gauch
In einem Hemde, geschwärzt wie von Höllenrauch;
Der geschlechtslose Wicht mit gewichtiger Geberde
Zerschlug unsern Krug, und den Wein trank die Erde.
Ja, ich liebe den Wein, und nicht erst seit gestern,
Doch was braucht mich deswegen die Welt zu verlästern?
Ließe Gott alles Verbotene in Trunkenheit endigen:
Wo blieb' in der Welt der Verstand der Verständigen?
Mit Euren vier Elementen und sieben Himmeln geht mir!
Als verlegener Auszug dieser Doppelwelt steht Ihr!
Trink Wein, Freund, ich hab's Dir schon oft gesagt:
Wer geht, kommt nicht wieder; sei's Gott auch geklagt!
Wären die Dinge dieser Welt
Nur auf Nachahmung gestellt,
So könnte jeder Tag auf Erden
Klugen Menschen zum Festtag werden.
Verwirrte nicht dies alberne Droh'n
Mit Höllenstrafen die Köpfe schon,
So könnte Jeder ohne Bangen
Zum Ziele seiner Wünsche gelangen.
Halt Einkehr in Dich selbst, wenn Du vernünftig bist,
Bedenk', was Du einst warst und was Du künftig bist.
Du sagt, Du trinkst keinen Wein aus Todesbangen:
Glaubst Du, durch Nüchternheit werde der Tod umgangen?
Aus Deinen Worten, o Eifrer, spricht nur Dein Hassen!
Du nennst mich ungläubig und gottverlassen.
Ich weiß, daß ich fern bin, Dir nachzueifern,
Doch wer giebt Dir das Recht, mich darum zu begeifern?
Komm, Frömmler, einem frommen Wunsch entgegen:
Führ' schweigend uns zum Heil auf Gottes Wegen!
Wir wandeln grade, aber Du stehst schief -
Heil' Deine Augen, Dir und uns zum Segen!
Siehe: zwei, drei Thoren
Führen die Welt bei den Ohren
Und dürfen sich Alles erlauben,
Weil sie an die Dummheit glabuen.
Und es glauben diese närr'schen
Gewalten, die uns beherrschen,
An die Weisheit Anderer nie,
Die nicht Esel sind wie sie.
Genieße, was Dir gefaällt,
Im bunten Treiben der Welt.
In Fröhlichkeit magst Du thronen
Und des guten Weines nicht schonen.
Gott kümmert sich nicht
Um die Frucht, die man bricht,
Nicht um Böses noch Gutes:
Drum sei frohen Muthes!
Ungefragt kam ich zur Welt, staunend, mich darin zu sehen;
Ungefragt muß ich hinaus, ohne sie noch zu verstehen,
Ohne nur den Grund zu ahnen meines Kommens oder Scheidens,
Und - solang ich athmend leide - dieses räthselvollen Leidens.
Steigen meine Sünden mir zum Hirne,
Perlt der heiße Schweiß mir von der Stirne
Von dem Feuer, das mein Herz entzündet.
Und doch nehm' ich an als wohlbegründet:
Zeigt ein Sclave Reue seinem Herrn,
So verzeiht der Herr dem Sclaven gern.
(Soll der Schöpfer aller Wesen minder
Gnädig sein für seine reu'gen Kinder?)
Dies alte Karawanserai, genannt die Welt,
Bald nächtig Dunkel, bald vom Tag erhellt,
Ist nur ein Rest von alten Herrlichkeiten,
Ein Grab von Königen, hochgerühmt vor Zeiten.
Wüst liegt der Palast,
Wo einst Behram gepraßt.
Jetzt scheucht von der Stelle
Der Leu die Gazelle.
Wo der König im Jagen
Wilde Esel erschlagen,
Versank er im Sumpfe
Beim Eselstriumphe.
Diese Töpfer, die mit Füßen und Händen
Die Thonmasse treten, kneten und wenden,
Ihren ganzen Witz und Verstand erschöpfen
Zur Vorbereitung von Krügen und Töpfen:
Sie selber scheinen nicht klar zu sehen,
Was sie da schlagen, stampfen und drehen,
Sonst wären sie selbst darüber betreten,
Daß sie Staub von Menschengebeinen kneten.
Da nur Erinnering Dir blieb an die Freuden der Welt,
Und als Freund nur der Becher noch Treu zu Dir hält:
Laß ihn nicht fahren, erfreue Dich seines Besitzes,
Füll' ihn mit edlem Getränk als Quelle befreienden Witzes.
Die Welt wird noch lange sich drehn,
Wenn wir verschwunden daraus,
Und keine Spur wird sein zu sehn,
Daß wir verschwunden daraus:
Der Welt fehlte nichts, eh' wir kamen zur Welt,
Und es wird kein Mangel entstehn
Wenn wir verschwunden daraus.
O wie das Kapital des Lebens
Uns durch die Hände gleitet!
O wie im Tod die Qual des Lebens
Zu blutigem Ende gleitet!
Und Keiner der Geschiedenen kehrt aus jener Welt, zu melden
Wie dort im Himmelssaal des Lebens
Die Schicksalswende gleitet.
Wie viele unsrer großen Herrn
Sind gleißende Schalen mit faulem Kern!
Sie haben vom Glücke nur den Schein,
Ihr Herz verzehrt sich in Qual und Pein.
Doch sind sie so verdreht im Geist,
Daß Mensch bei ihnen nur der heißt,
Wer ihre niedern Lüfte theilt,
Und an wahrem Glück vorüvereilt.
O Chajjam, obgleich das Himmelszelt
Geheimnißvoll umschließt die Welt,
So glaub' ich doch, es hat in der Zeit
Der Schenke des Weins der Ewigheit
Geschaffen tausend Deinesgleichen
Im Schöpfungskelch, dem wunderreichen,
Die munter im Weine steigen zum Lichte
Und als Bläschen sich zeigen unserm Gesichte.
Ueberlaß Dich der Freude Lauf,
Der Gram dringt sich selber auf,
Ist jedem Menschen erblich
Und in der Welt unsterblich.
Die Sterne kreisen noch oben,
Wenn längst unser Leib zerstoben,
Wenn man unsern Staub zu Backsteinen schichtet
Und Paläste für Andre daraus errichtet.
Getrosten Muths durch's Leben wandre,
Dir folgen werden viele Andre.
Die Seele wird nach dem Körper schrei'n,
Den sie verlassen in Todespein,
Und der Schädel aus deinem Haupt,
Seines feurigen Willens beraupt
Durch seinen eignen Schöpfer,
Wird zerstampft von den Füßen der Töpfer.
Glücklich wer ohne Prangen
Durch dieses Leben gegangen,
Ohne Kutten und Ehrenkleider,
Wie ohne Feinde und Neider,
Wer die Simurg sich erhoben
Zum Himmel und schaut von oben
Herab auf diese Trümmerwelt,
Wo's nur den Eulen wohlgefällt.
Ach, mein Wundes Herz hat keine Heilung gefunden!
Ohne Trost ist die Seele über die Lippen geschwunden!
In Unwissenheit ist mein Leben verflossen
Und das Räthsel der Liebe ihm nicht erschlossen.
Im Reich des Geistes muß man Urtheil zeigen,
Doch von den Dingen dieser Welt klug schweigen.
Damit Zunge, Auge und Ohr sich bewähren,
Thun wir, als ob wit ganz ohne sie wären.
Wer in dieser Welt nur ein halbes Brot hat
Und ein ruhiges Nest bis zu seinem Tod hat,
Wer keinem zugehorchen noch zu befehlen braucht,
Der sei froh, da er weder Sorge noch Noth hat.
Man soll in's Herz nicht die Saat der Traurigkeit senken,
Vielmehr den Blick auf die Freuden des Lebens lenken,
Wein trinken, der Neigung des Herzens leben;
Nur kurze Frist ist Allem, was athmet, gegeben.
Möge mir immer ein voller Becher zur Hand sein!
Immer mein Herz von schönen Augen in Brand sein!
Sagt man: Gott fordert Entsagung - so sag' ich: das kann er,
Aber ich kann sie nicht üben, ich müßte sonst ohne Verstand sein.
Ich bin der Abreise nah, meine Zeit ist erfüllt,
Und von hundert Geheimnissen hab' ich kaum Eines enthüllt.
Tausende tiefer Gedanken sind mit mir zum Sterben erkoren,
Weil dies verdummte Geschlecht alles höhere Verständniß verloren.
Weder heiß noch kalt ist's heute, ein prächtiges Wetter:
Frisch vom Regen gewaschen prangen Rosenkelche und Blätter,
Und die Nachtigall scheint zu den gelben Blumen zu singen:
Lasset auch Ihr von dem himmlischen Naß Euch belebend durchdringen.
Einst, wenn ich nicht mehr bin, was ich gewesen,
Und man gleichwie von einem Fabelwesen
Von mir wird sprechen, - sammelt mein Gebein,
Macht einen Krug daraus, füllt ihn mit Wein.
Trink Wein, der Dir das Herz erhellt,
Eh' Dein Name verschwindet aus dieser Welt.
Löse der junge Huldinnen Locken,
Eh' Deine Glieder die Grabwürmer locken.
Die gemeine Liebe ist verwerflich ganz,
Ein Glimmen in der Asche ohne Wärme und Glanz,
Doch wo die wahre Liebe glüht,
Ergreift sie das ganze Herz und Gemüth,
Läßt keine Ruhe bei Tag und Nacht,
Weiß nicht, ob Monde, ob Jahre verbracht,
Denkt an Essen und Trinken nicht,
Ihr ganzes Wesen ist Glut und Licht.
Morgen wird die letzte Scheidewand sinken,
Und in Ahnung des Glückes will ich darauf trinken.
Zeit und Geliebte sind mir gewogen
Und mein Herz weiß vorher, es wird nicht betrogen.
Zuweilen kommt mein stolzer Geist mit den Körper in Zerwürfniß,
Er schämt sich der Gemeinsamkeit mit niedrigem Bedürfniß.
Ich habe öfter schon gedacht zu sprengen diesen Kerker,
Allein der Selbsterhaltung Pflicht erwies sich immer stärker.
Siehe, der Trank unseres Lebens ist bald trübe, bald rein,
Und der Stoff unserer Kleider bald grob und bald fein.
Dieses Alles ist nicht für einen erleuchteten Geist,
Aber ist es auch nichts, wenn der Lebensfaden zerreißt?
Unwissende giebt's, die nie auf der Wahrheit Bahn
Geforscht, nie einen Schritt aus sich selber gethan,
Doch die sich wie große Herrn kleiden und bläh'n
Und verdienstvolle Männer verkleinern und schmäh'n.
Quäle nicht zu sehr Leib und Sinn
Um weißen Silbers und gelben Goldes Gewinn.
Speis' mit Freuden, eh' Dir der Odem vergangen;
Später werden Deine Feinde zum Speisen gelangen.
Nicht Einmal ward mir im Leben
Ein Tag reinen Glückes gegeben.
Drang mir bis zum Herzensgrunde
Eine Stimme aus süßem Munde,
Oder fühlt´ich mich sonst gesegnet,
Weil Holdes mir begegnet,
So ward sicher ein Lebensabgrund
Meinem Glücke sogleich zum Grabgrund.
Einen Vogel sah ich sitzen auf der Mauer von Thuß
Und hört' ihn sprechen zum Schädel des Key-Kawuß:
Ach, wo sind nun die Pauken und Zinken des Ruhms,
Wo der Lärm und Glanz Deines Herrscherthums?
Laß nicht Furcht vor dem Jenseits Dir bleichen die Wangen,
Auch vor den Dingen hienieden braucht Dein Herz nicht zu bangen:
Fürchte nicht, des Himmels Gunst zu verscherzen,
Erfreust Du Dich hier seiner Gaben von Herzen.
Komm, Freund, wir wollen nicht sorgen um morgen,
Wir halten als Beute das Gute von heute geborgen.
Verlassen wir morgen dann dies alte Gasthaus - die Welt, -
So werden wir Allen, die vor uns bewohnt dieses Rasthaus, gesellt.
Ja, wir sind der ganzen Schöpfung Zweckbegriff und höchstes Ziel,
Sind der Stern im Aug' des Geistes, drauf das Licht des Himmels fiel;
Einem Ringe zu vergleichen ist die Welt, und zweifelsohne
Bilden wir auf diesem Ringe das Gepräge mit der Krone.
Der Rausch der Selbstbethörung hat uns solchen Schwung gegeben,
Daß wir aus unsrer Niedrigkeit das Haupt zum Himmel erheben.
Da kommt das Ende der Herrlichkeit: der Geist wird uns genommen
Und der Leib kehrt in den Staub zurück, aus dem er kaum gekommen.
O Du, der bei Tag und Nacht
Nur auf solche Schätze der Welt bedacht,
Schreckt der Gedanke Dich nicht
An das jüngste Gericht?
Des letzen Athemzugs denke,
In Dich selbst Dich versenke,
Und merk', wie's den Andern
Geht bei ziellosem Wandern.
Mensch, der Du ein Auszug der ganzen athmenden Welt bist,
Was soll's, daß Du nur auf Gewinn und Verlußt gestellt bist?
Nähr' Deinen Geist mit Wein aus der Hand des ewigen Schenken,
Und hör' auf in Sorgen an Himmel und Erde zu denken.
In diesem Endlos kreisenden Erdenrund
Werden Dir zwei Arten von Menschen kund:
Die, welche Gutes und Böses zu scheiden wissen,
Und die, welche gar nichts von beiden wissen.
Laß leicht mein Herz tragen an der Welt schweren Sorgen,
Halt mein Böses vor den Augen der Menschen verborgen,
Laß mich heut einmal glücklich sein in der Welt,
Und thu' morgen mit mir, was Deiner Gnade gefällt.
Wer den menschlichen Dingen sieht scharf in's Herz,
Der weiß: innerlich gleich sind Gram, Freude und Schmerz.
Da weder Gutes noch Böses von Dauer ist,
Was macht's, ob das Leben Luft oder Trauer ist?
Sieh diesen Glasleib, der eine Seele trägt,
Dem Jasmin gleich, der aus in Blüthen schlägt;
Doch nein! ich irre, geblendet ganz
Von des Weines flüssigem Feuerglanz.
Wirf von Dir die Sorgen der flüchtigen Welt,
Leb', solange Du lebst, nur der Freude gesellt.
Wäre die Gunst des Himmels nicht Andern genommen,
So wäre sie nicht bis zu Dir gekommen.
Höre mich, der Du noch arm an Erfahrung!
Laß Dich nicht kümmern des Himmels Gebahrung;
Betrachte, mit dem, was Du hast, zufrieden,
Den Lauf des Schicksals der Menschen hienieden.
Meine Herzensräuberin und holde Betäuberin
Reichte mir gestern einen Becher mit Wein
Und bat mich zu trinken; ich sagte "nein."
Doch bei ihrer Liebe beschworen,
Gab ich mich bald verloren.
Soll der Weltlauf sich Deinem Willen fügen,
Stärke Dein Herz, lern Dich begnügen.
Schärf' Deinen Blick durch Wein, klar Dich selbst zu sehen,
Und dann laß die Welt, die sie will, sich drehen.
Mögen forschenden Blickes die Weisen wandern
Von einem Ende dieser Staubwelt zum andern,
Sie finden nichts Bess'res darin enthalten
Als guten Wein und schöne Gestalten.
Dank der Laune des Himmels, der wie ein Spiegel scheint,
Dank dem Zeitlauf, der's gut nur mit Schlechten meint,
Sind meine Wangen, hohl wie Schalen, voll Thränenflut,
Und mein Herz, wie eine Weinflasche, ist voll von Blut.
Vergiß die Tage, die Dir verloren sind,
Fürchte die nicht, die noch nicht geboren sind.
Genieße des Augenblicks Gunst und bedenke,
Daß, die das Leben in den Wind schlagen, Thoren sind.
Schämst Du Dich nicht, nach Bestechung zu trachten,
Ohne die Gebote und Verbote zu achten?
Kannst Du auch alle Schätze der Erde gewinnen:
Was thust Du damit, wenn Du mußt von hinnen?
Einen Mann sah ich ein dürres Stück Land bewohnen,
Der nichts wußte von Gesetzen und Religionen,
Nichts von Wahrheit und Gott, nichts von böse und gut, -
Wer im Himmel und auf Erden hätte gleichen Muth?
Viele Menschen grübeln über Glauben und Sitte,
Zwischen Zweifel und Gewißheit stehn viele in der Mitte.
Unversehens ruft Einer aus dem Hinterhalt her:
Ihr Thoren, der rechte Weg ist nicht dieser noch der!
Am Himmel ist ein Sternbild "der Stier" genannt,
Ein andrer Stier ist unter der Erde bekannt;
Du öffne die Augen, um klar zu sehn,
Wieviel Esel zwischen diesen beiden Ochsen stehn!
Flieh' die Frauen, die allzu gefällig sind,
Such' nur solche, die edel gesellig sind.
Mit dem Leben der Menschen geht's auf und nieder,
Wer einmal gegangen ist, kommt nicht wieder.
Laß den Gram fern vom fröhlichen Herzen bleiben,
Das Glück schöner Stunden nicht mit Steinen zerreiben.
Da Niemand durchschauen kann der Zukunft Getriebe,
Erfreu'n wir uns heut noch des Weins und der Liebe.
Schön ist's, einen guten Namen zu tragen,
Doch nicht schön, über sein Schicksal zu klagen;
Es ist schöner, sich zu laben an gutem Wein
Als sich zu spreizen in falschem Heiligenschein.
Das Himmelsrad läuft noch, wenn Du und ich längst geschieden,
Es läßt weder Deine noch meine Seele in Frieden.
Komm, setz' Dich in's Grün; nur kuze Zeit wird vergehen,
Eh anderes Grün wird aus deinem und meinem Staube erstehen.
Wenn Dir Deine Seele genommen wird und mir meine,
Legt man auf Dein und mein Grab ein paar Steine.
Und später, auch andere Gräber mit Steinen zu decken,
Nimmt man unseren Staun und zermalmt gar unsre Gebeine.
Jenes Schloß, drin die mächtigen Herrscher gethront,
Das zum Himmel aufglänzte, ward dich nicht verschont.
Eine Turteltaube ruft auf den Zinnen jetzt:
Wo sind, die einst hausten darinnen, jetzt?
Halte Dir Alles fern was nicht des Herz erfreut,
Nimm den Trank, den die Hand der Schönheit Dir beut.
Gieb für der Begeisterung seligen Rausch
Alles zwischen Himmel und Erde in Tausch.
Flieh' den Bücherstaub und die Heuchlerpest
Und halte Dich an den Locken der Schönheit fest.
Eh die Zeit Dein eignes Blut vergießt,
Sorg', daß Dir das Blut der Rebe noch fließt.
Freund, bewahre den Gleichmuth im Wechsel des Lebens,
Gräm' Dich um die Launen der Zeit nicht vergebens!
Wenn die Hülle Deines Daseins in Staub zerfällt,
Was kümmert Dein Handeln und Reden die Welt?
Du, der nie Gutes gethan, stets nut Böses gethan,
Um dann hülfesuchend der Gottheit zu nahn:
Bau' nicht auf die Gnade, denn wer nichts gethan,
Was gut ist, der kann auch nichts Gutes empfahn.
Zähl' das Leben nicht länger als sechzig Jahre,
Und immer die Liebe zum Weinkrug bewahre.
Bis Dein Schädel einst selbst gemacht wird zum Krug,
Thust Du andern Krügen nie Ehre genug.
Wie eine umgestülpte Schale wölbt sich der Himmel uns zu Häupten;
Die klugen Menschen stehn darunter kraftlos und rathlos gleich
Betäubten.
Doch sieh, wie zwischen Kelch und Flasche die Freundschaft groß ist und
voll Glut.
Jetzt sind die beide Lipp' an Lippe und zwischen beiden fließt das
Blut.
Mit meinem Schnurrbart hab' ich die Schwelle der Schenke gefegt,
Vergessend, was Böses und Gutes das Diesseits und Jenseits bewegt.
Säh' ich beide Welten wie Kugeln in einen Abgrund stürzend
zertrümmern,
Es würden im Rausche mich beide nicht mehr als ein Gerstenkorn
kümmern.
Wie lang soll mich der Zweifel bedräuen,
Ob ich habe oder nicht?
Ob ich des Lebens mich soll erfreuen
Als guter Gabe, oder nicht?
Füll' mir den Becher mit Wein, denn ich weiß nicht,
Ob dieser Athemzug jetzt führt zum Grabe, oder nicht.
Opfere nicht den Launen der Zeit Dein Glück,
Rufe nicht, was längst gewesen, zurück,
Oeffne Dein Herz nur süßlippigen Feen,
Trink Wein, laß Dein Leben nicht unnützt vergehn!
Wie lange soll ich noch hören von Moscheen und Beten und Fasten?
Such' lieber in der Schenke Dein beladenes Herz zu entlasten.
O Chajjam, trink Wein! Dein Staub wird verhandelt
Und in Becher, Krüge und Schalen verwandelt.
Bist Du klug, so halt Dich zum roten Weine,
Werden dann zu Staub einst Deine Gebeine,
So wird jedes Atom von Wein getränkt,
Vom Winde wieder zum Weinhaus gelenkt.
Gesetzt, Du hättest glücklich gelebt hienieden; was dann?
Und es wäre Dir ein seliges Ende beschieden: was dann?
Gesetzt, Du hättest hundert Jahre glücklich gelebt,
Und könntest noch hundert Jahr leben zufrieden: was dann?
Weh, daß mir mein Leben zum Unheil verflossen,
Weil ich verbotene Speisen und Getränke genossen!
Mein Antlitz ward schwarz, weil ich nicht that, was geboten,
Wie wird's erst, weil ich that, was nicht ge- noch verboten?
Gräme Dich nicht zu sehr über die unbeständige Welt,
Bleibe dem Wein und der zärtlichen Liebe gesellt;
Siehe, wer heut dem Schooße der Mutter entsprungen:
Morgen wird er vom Schooße der Mutter (Erde) verschlungen!
O Töpfer, bedenk', was Du thust, wenn Du klug bist,
Da Du so mit Entwürdigung des Menschen im Zug bist:
Du räderst die Glieder der Weltbezwinger,
Kai Chosrew's Hand und Feridun's Finger!
Des Frühlings und Winters Kommen und Gehen
Macht die Blätter von unserm Lebensbaum wehen,
Der Weltschmerz - sagen die Weisen räthlich -
Ist ein Gift, doch guter Wein macht's unschädlich.
Einen Krug zerschlug ich gestern an einem Steine,
Ich war berauscht von desselbigen Kruges Weine.
Der Krug schien zu sagen: Du, durch den ich verletzt bin,
Ich war einst wie Du, Du wirst sein, wie ich jetzt bin.
Such durch Selbstüberwindung den Schmerz zu lindern,
Durch Klagen wirst Du ihn nicht heilen noch mindern.
In Deiner Armuth danke dem Himmel auf Erden,
Sollen einst seine Schätze zu Theil Dir werden.
In der Schenke fragt' ich einen weinfrohen Greis:
Wo sind nun, die fehlen in unserm Kreis?
Er sprach: es sind Viele dahin genommen,
Wohin wir auch gehn, um nicht wieder zu kommen.
Folg' nur denen, die wandeln den Pfad zur Schenke,
An Wein, Gesang und Liebe nur denke.
Den Pokal zur Hand bring' den Mund zur Stummheit,
Dann Freund, bist Du sicher, er spricht keine Dummheit!
Willst Du dem Leben eine feste Grundlage geben,
Eine Zeit lang das Herz aller Sorgen entheben,
So hör' nicht auf, Dich guten Weins zu erfreuen,
Und der Reiz des Lebens wird sich immer erneuen.
In dieser Gauklerbude, der Welt,
Sei Dein Hoffen auf keinen Freund gestellt.
Hör' von mir diesen guten Rath
Und mach' ihn ganz geheim zur That:
Trage geduldig Dein Schmerzenteil,
Dun findest bei keinem Andern Heil,
Dein Glück kannst Du nur von innen
Von außen nicht gewinnen.
Zwei Dinge bilden der Weisheit Grund,
Die nicht offenbart des Propheten Mund:
Nicht von Allem zu essen, was uns verliehn
Und vor allem Geschwätz der Menschen zu fliehen.
Warum ist im Frühling der Rebensaft sauer?
Warum später süß und dann herb auf die Dauer?
Aus Holz schneidet man Instrumente zum Streichen
Und Instrumente zum Blasen desgleichen.
Eh auf der Wandrung durch diese Welt
Unser Staub in die Hände des Töpfers fällt
Zu neuen Krügen: laß an der alten
Begeisternden Inhalt uns treulich halten.
Bei Wein, Tanz und Rosen mit frohen Genossen,
O Herz, soll ich hier stehn aller Freude verschlossen?
Wein und Lautenklang hier in Garten und Wiese
Gilt mir mehr als die Huris im Paradiese.
Sieh, wie leuchtend der Wein und der Mond uns erschienen,
Sieh die Schönheit so rosig wie Glut von Robinen!
Sprich vom Staub nicht dem Herzen, das Feuer durchwühlt,
Bring nicht Luft an die Glut, sondern Wasser, das kühlt.
Besser gute Bekanntschaft als schlechte Verwandtschaft,
Besser Fremde, die erfreuen, als Nächste, die zu scheuen.
Nur was fördert, ist räthlich, alles Störende schädlich,
Wie Gift selbst oft gut ist, wenn verdorben das Blut ist.
Achten wir den Weltgram kein Gerstenkorn werth - sei'n wir glücklich!
Wird uns Frühstück nur und kein Mittag beschert - sei'n wir
glücklich!
Kommt uns gar nichts Gekochtes aus der Küche zu,
Werde kein Mensch durch rohe Bitten beschwert - sei'n wir glücklich!
Schnell, wie der Wüstenwind entflieht mein Leben,
Allein solang mir Odem noch gegeben,
Mach' ich mir um zwei Tage keinen Gram:
Den Tag, der schon verging, und den, der noch nicht kam.
Wie viel schläfrige Menschen seh' ich auf Erden hier!
Wie viele Schläfer ruhen schon unter ihr!
Wie viel werden noch schläfrigen Angesichts
Wandern durch diese Wüste des Nichts!
Der Regen fällt munter
Auf den Rasen herunter:
Wie dem Rasen der Regen,
Sei der Wein uns zum Segen!
Wer wohl einst sich erfreut
An dem Grün, wie wir heut;
Das dem Boden entsprungen,
Der uns selber verschlungen!
Im Reich der Hoffnung magst Du schwärmend minnen,
Im Reich der Wirklichkeit sei Dir ein Freund genug,
Der Sichrer als der Gläubigen Pilgerzug
Nac Mekka, Dich den Himmel läßt gewinnen.
O Chajjam, Dein Körper gleicht einem Zelt,
Dem Geist, als König, zur Wohnung bestellt.
Zieht der König aus, so wird's abgetragen
Und am andern Orte neu aufgeschlagen.
Füll' meinen Becher mit Wein von rosiger Glut,
Gieß durch die Kehle der Flasche sein reines Blut,
Denn außer diesem rosigen Wein ist
Kein Freund mir bekannt, dessen Inn'res so rein ist.
O Wein voll Reinheit und Perlenglanz!
Dein Geist soll moch Thoren erfüllen, daß ganz
Ich werde wie Du - und man ruft mir zu:
Guten Morgen, Herr Wein! Woher so rein?
Seit der Mond und Venus am Himmel stehn,
Ward auf Erden nichts Edleres als Wein gesehn.
Der Weinhändler ist ein erstaunlicher Mann,
Da er Bessres verkauft als er kaufen kann.
Von jenem Wein trinke, der ewiges Leben giebt,
Das Herz verjüngt, dem Geist hohes Streben giebt.
Er brennt wie Feuer - aber wie Lebenswasser
Löst er die Schmerzen, die es zu heben giebt.
O meine Freunde, gelobt, einst munter Euch
Hier zu versammeln, wenn ich nicht mehr unter Euch,
Den Pokal voll alten Weins zu schenken
Und trinkend des armen Chajjam zu gedenken.
Ein Glas Wein wiegt hundert Herzen auf,
Mit hundert Religionen im Kauf.
Nicht um das Kaiserreich China gebe
Ich preis die herbe Tochter der Rebe.
Was kann von den Schätzen auf Erden
Mit ihr verglichen werden?
Was uns das trübe Leben gewährt,
Hat Werth nur, wenn durch sie verklärt.1
Den rohen, geistlosen Trinker such' wo möglich zu meiden,
Du hast sonst von den Folgen immer höchlich zu leiden:
Nachts macht er durch wüstes Benehmen Dir Plage
Und verdirbt Dir die Kanne durch Entschuldigung bei Tage.
Ein guter Schluck Wein ist soviel wie die Herrschaft der Welt werth,
Der Deckel des Krugs ist soviel als was sonst an Rang hochgestellt,
werth.
Das Tuch, womit vom Weine die Lippen Dir trocknest,
Ist mehr als heilige Turbans und was sonst dazu sich gesellt werth.
Rubinfarb'nen Wein in krystall'nem Pokal bring',
Den Tröster der Herzen und Lindrer der Qual bring'.
Da Du weißt, wir sind Staub, der im Winde verweht:
Bis Dahin Wein zum fröhlichen Lebensmahl bring'!
Wohl thut mir's, mit guten Freunden zu Sitzen bei gutem Weine,
Wenn mich der Kummer zernagt, thut mir's wohl, daß ich weine.
Da diese traurige Welt uns doch bald zu zerstäuben sucht,
Bleibt das Beste, daß man sich darin zu betäuben sucht.
Freund, trinke von diesem quellreinen Wein,
Es soll der herzliebsten zum Gedächtniß sein.
Der Wein ist das Blut der Rebe, die spricht: Freund,
Verschmähe, was ich Dir gebe, nicht, Freund!
Trink rosigen Wein, wenn die Knospen springen
Und laß Flöten und Harfen beim Becher klingen.
Ich selbst mach' es so, mög' es gut mir gedeihn!
Bist Du anderen Sinns, magst Du Steine verschlingen!
Bist Du traurig, nimm ein Körnchen Haschisch in den Mund,
Oder leer' eine Schaale rein bis zum Grund.
Du bist Sufi geworden, doch hältst Dich vom Weine
Fern wie vom Haschisch: so iß Kieselsteine.
Wenn Du Wein trinkst, thu's mit klugen Köpfen,
Oder mit schönen reizvollen Geschöpfen.
Trink nicht zuviel und halt's hübsch geheim,
So erstickst Du den Tadel der Welt schon im Keim.
Trink Wein mit schlanken, herzraubenden Wesen,
Und vom Biß der Schlange des Grams zu genesen.
Ich trinke, mich auf vom Staube zu schwingen:
Trinkst Du nicht mit, magst Du Staub verschlingen!
Das Morgenroth winkt, was zögerst Du?
Steh auf, füll' den Becher und trink mir zu.
Dies flüchtige Dasein wird bald verschwinden:
Genieß es, Du wirst es nicht wiederfinden.
Guter Wein ist dem Reiche Dschem's vorzuziehn,
Selbst der himmlischen Speise, Maria verlieh'n;
Bu-Said's und Adhem's erbauliche Klagen
Wollen mir minder als Seufzer beim Weine behagen.
Laß den Himmel mit seinem Geheimniß in Frieden,
Trink Wein und erfreu' Dich des Schönen hienieden:
Noch Keiner kam wieder aus jenen Bezirken,
Zu melden, wie unsre Gebete dort wirken.
Wir denken wieder an unser Weingeräthe
Und lassen den Andern ihre fünf Tagesgebete.
Wo wir Flaschen mit langen Hälsen entdecken,
Wollen wir, lang wie sie, unsere Hälse strecken.
Auf schwingt sich die Sonne, auch uns aufzuschwingen;
Trink Wein und laß Deine Harfe erklingen.
Die Langschläfer haben kein langes Glück,
Und von den Entschlaf'nen kommt Keiner zurück.
Gestern traf ich auf eignen weinseligen Pfaden
Einen Greis, mit einem großen Weinkrug beladen.
Ich frug: hast Du vor Gott weder Furcht noch Scham?
Er sprach: Gott ist gnädig gar wundersam.
Wie lange nimmst Du Dir noch Deine Mißerfolge zu Herzen?
Sorgen um Künftiges machen die größten Schmerzen;
Halte beim Weine froh vor der Welt verborgen,
Wein vermehrt nicht, er mindert die Bitterkeit Deiner Sorgen.
Der Wein, als Nahrung erleuchteten Strebens,
Ist für mich die Quelle des ewigen Lebens,
Ein Balsam der Seele. Gott selbst hat verkündet:
"Im Wein ist der Vorzug des Menschen begründet."
Ob der Wein auch verboten, trink Du ohne Zwang
Am Morgen und Abend, bei Spiel und Gesang.
Wo rubinfarb'ner Wein Dich ladet zum Fest,
Gieß einen Tropfen zu Boden und trinke den Rest.
Ein klarer Geist ist der Wein, den ich im Becher erhasche,
Eine klare Seele ist er im Körper der Flasche.
Nur ein erleuchteter Gast ist werth zu erscheinen,
Wo hier beim Becher sich Geist, Klarheit und Festigkeit einen.
O Chajjam, die Zeit selber empfindet Scham
Für den, der sie ausfüllt mit nutzlosem Gram.
Aus krystallener Schale bei Harfenschall
Trink Wein, eh' in Scherben zerspringt der Krystall.
Wird mir kein Friede zutheil
Versuch' ich im Streit mein Heil.
Will man den guten Namen mir nehmen,
Werd' ich mich für die Andern schämen.
Rubinfarbenen Wein
In den Becher gießt ein,
Dem ihn schmähenden Tropf
Flieg ein Stein an den Kopf.
Sieh, das Frühroth zerriß den nächtlichen Schleier
Erheb' Dich und athme beim Frühtrunke freier.
Vertrink Deinen Gram!
Wie es heute kam,
So wird das rosige Himmelslicht
Noch oft uns zeigen sein Angesicht,
Wenn wir, längst in der Erde geborgen,
Nicht wissen, ob's Nacht ist oder Morgen.
In frischer Menschenblumen Geleit
Laß auch Wein und die Blumen der Flur nicht Weit!
Eh der Todeswind Dein Lebensgewand
Wie die Blumen zerreißt mit rauher Hand.
Wie lange willst Du noch jammern über das Weltgeschick?
Genieß lieber in Frieden jeden Augenblick.
Wenn die Erde mit Blumen sich schmückt im Lenze,
Was an Glück Dir noch fehlt, durch Wein ergänze!
Verwirre Dein Hirn nicht durch unnützes Gegrübel.
Such immer nur im Wein die Heilung aller Uebel.
Ein von der Tochter der Rebe heimlich geraubter Kuß
Ist besser als ein von der Mutter Jedem erlaubter Kuß.
Führ' einen Becher Wein zum Munde
Und sing mit der Nachtigall im Bunde,
Will man ihn ohne Klang genießen,
So wird er von selber klanglos fließen.
Am klügsten lebt wer so am Wein sich erfreut,
Daß ihn weder Vergangnes noch Künftiges bedräut.
Nur so sind auf ein Kurzes die Fesseln zu sprengen,
Die durch den Verstand unsre Seele bedrängen.
Eine Stimme scholl Morgens zu mir aus der Schenke:
Steh auf, närr'scher Schwärmer, Dein Heil bedenke -
Füll', ehe das Maaß unsres Schicksals gefüllt ist,
Bei uns noch das Maaß mit edlem Getränke!
Komm, komm zu mir, von allen nichtigen Dingen
Im Geist des Weins Dich mit mir aufzuschwingen.
Erforsch' beim vollen Krug der Traube Macht,
Eh' Krüge man aus unserm Staube macht.
Wenn ich todt bin, so wascht mit Wein meine Glieder,
Und am Grab, statt Gebete, singt lustige Lieder;
Und forscht Ihr nach mir am jüngsten Tage,
Ihr findet im Staub vor der Schenke mich wieder.
Da Niemand Dir bürgen kann für morgen,
Befreie dein Herz noch heute von Sorgen.
Freu' Dich des Weines! Der Mond wird noch kreisen
Am Himmel, wenn wir längst im Grabe geborgen.
Schwing' Dich zum Höchsten durch Wein und Liebe,
Ob dabei auch Dein guter Name zerstiebe.
Der Nüchterne fühlt nichts als Jammer und Schmerz, -
Begeisterung nur trägt und himmelwärts.
Beim Himmel! kein Weiser wandelt durch's Leben,
Nur um Scheingüter dieser Welt zu erstreben!
Wer mich trunkenbold schilt, der bedenke,
Da droben im Himmel giebt's keine Schenke.
Trinkst Du keinen Wein, laß uns doch ruhig zechen:
Ich kennen keinen Gott, dem das gilt als Verbrechen.
Die frommer Enthaltung vom Wein sich rühmen,
Wollen dadurch nur schlimmere Laster verblümen.
So will ich berauscht sein von geistiger Labe,
Daß der Wohlgeruch mich überlebt im Grabe,
Und nur Halbberauschte an meiner Gruft
Ganz trunken hinsinken, berauscht vom Duft.
Wenn ich, den Becher zur Hand, froh berausche mich
Und mit erhöhtem Verstand, so belausche mich;
Wie erscheint mir die Welt dann so wunderbar
Und alles Geheimniß der Schöpfung so klar!
Da ein Tag dahin eilt auf flüchtigen Sohlen
So schnell wie Ausathmen und Athemhohlen:
Trink Wein, Freund, Du weißt ja, die Welt geht zu Grunde,
So sei's auch mit dem, was du führest zum Munde!
Wir überlassen uns ganz dem Willen des Weines;
O Rebentochter, mein Herz ist nun Deines!
Die Flasche in der Rechten, die Schale in der Linken,
Läßt der Schenke uns selig Dein Herzblut trinken.
Weil ich heut noch das Kleid der Jugend trage,
Mach' ich den Tag mir zum Festgelage.
Schäht nicht die herbe Tochter der Rebe,
Sie verklärt mir hold meine bitteren Tage.
In unserm Kreise gilt kein falsch Gepräge.
Ein Greis sprach zu mir auf dem Schenkenwege:
Laß uns des Lebens Bestes nicht versäumen,
Eh wir den langen Traum im Grabe träumen.
Wenn ich nüchtern bin, ist mein Glück nicht vollkommen,
Ich brauche zur innern Erleuchting Wein;
Das Glas mit Verstand zur Hand genommen -
Und in Geist und Herzen ist Sonnenschein.
Nimm Dir ein Beispiel an der Tulpe, welche
Des Himmels Gaben zeigt im blühenden Kelche.
Halt hoch den Kelch und küsse Tulpenwangen,
Eh' Dir der Athmendazu ausgegangen.
Im Traum scholl eine Stimmemir in's Ohr:
Im Schlaf erblüht Dir nichts des Glückes Rosenflor.
Trink lieber Wein! Schlaf gleicht dem Todeszustand,
Du hast noch Zeit dazu im ewigen Ruhstand.
Lange bin ich zwischen Wein und Rosen gewandelt,
Vom launischen Schicksal meist schlecht behandelt;
Doch hatt' ich auch der Enttäuschungen viele:
Keinen anderen Weg mir such' ich zum Ziele.
Füll mir den Becher, mein Herz steht in Flammen,
Und wie Quecksilber nur hält das Leben zusammen.
Des Glückes Erwachen ist nur ein Traum,
Und das Feuer der Jugend zerstiebt wie Schaum.
Wein trinken und mich freuen
Laß ich mir nie gereuen.
Gleichgültig sind mir die Ketzer,
Wie die frommen Glaubenshetzer.
Ich fragte die Welt, die alte,
Was sie als Bestes enthalte
In ihrem großen Gebäude;
Sie sagte: "des Herzens Freude!"
Kobad's Thron und Thus' und Kavus' Reich
Kommt einem guten Glas Wein nicht gleich.
Der Liebenden Seufzer und Klagetöne
Sind besser als als heuchlerisch Andachtsgestöhne.
Ich trinke nicht Wein, um zu trinken blos,
Nicht zu schwelgen sitten- und glaubenslos;
Ich trinke, um höher mich zu beleben,
Mich aus mir und über mich zu erheben.
Ich soll nicht Wein trinken in der Fastenzeit,
Weil diese drei Monde dem Herrn geweiht:
Nun wohl! Ich trinke dem Hernn zu Preise,
Mögt Ihr ihn verehren in Eurer Weise.
Der Monat Ramasan ist gekommen,
Der strengste Fastenmond für die Frommen:
Nun hat ihr Wein im Keller Ruh'
Vielleicht gar die lieben Weiblein dazu!
Da heut' die Rose Deines Glücks erschlossen,
Warum läßt Du den Becher ungenossen?
Trink, lieber Freund: die Zeit hat flücht'ge Sohlen,
Ein Tag wie heute ist schwer einzuhohlen.
Da der heutige Tag ein geweihter ist,
Wie in der Woche kein zweiter ist,
Führ' einen vollen Krug an die Lippen,
Statt den Wein aus kleinem Glase zu nippen.
Und ob dein Tagesmaaß sonst sei
Ein einziger Krug, trink heute zwei,
Denn dieses ist der Tag des Herrn
Und ihn zu ehren trinkt man gern.
Im Frühling mag ich gern im Grünen weilen
Und Einsamkeit mit einer Freundin theilen
Und einem Kruge Wein. Mag man mich schelten:
Ich lasse keinen andern Himmel gelten.
Beim Becher, gefüllt mit rosigem Weine, zu weilen, ist angenehm;
Beim Klange der Saiten nicht sehn, wie die Stunden enteilen, ist
angenehm;
Selbst der Heilige, der uns verwünscht mit all' unsern Freuden,
Bleibt er fern von uns auf hundert von Meilen, ist angenehm.
In der Welt ohne Wein und Schönheit zu leben, ist unerfreulich;
Nie das Herz durch Klang und Gesang zu erheben,
Alles hab' ich hienieden geprüft und erfahren:
Keine Freuden in unser Dasein zu weben, ist unerfreulich.
Hab' Acht! Deine Seele wird Dir entschweben
Und der Schleier der Ewigkeit sich vor Dir heben.
Trink Wein, denn Du weißt nicht und kannst nicht verstehn,
Woher Du gekommen, wohin Du wirst gehn.
Laß den Büchertand,
Nimm das Glas zur Hand,
Laß Himmel und Hölle sein,
Halt' Dich an guten Wein.
Des dicken Turbans Schmuck
Schafft dem Kopfe nur Druck,
Befrei' Kopf und Gesicht
Und fürchte Dich nicht.
Wo sind die Tänzerinnen? Wo ist der Wein?
Glücklich das Herz, dem er früh schon ging ein!
Dreierlei macht meines Lebens Wonne:
Wein, schöne Mädchen und Morgensonne.
Wenn entwurzelt wird meines Daseins Baum
Und meine Gebeine zerstreut im Raum,
Wird man Krüge aus meinem Staube machen
Und dieser durch Wein neu zum Leben erwachen.
Diese Lebenskarawane ist ein seltsamer Zug,
Darum hasche die flüchtige Freude im Flug!
Mach' Dir um künftigen Gram keine Sorgen,
Fülle das Glas, bald naht wieder der Morgen!
O theure Genossen vom Trinkerorden,
Gelb wie Bernstein ist mein Antlitz geworden,
Bringt Wein, um es wieder zu beleben
Und den Wangen gesunde Röthe zu geben.
Und leg' ich mich einst zum Sterben nieder,
So wascht mit rothem Wein meine Glieder;
Das Holz des Weinstocks diene zur Thruhe,
So laßt mich tragen zur ewigen Ruhe.
Wir werden gestrichen aus dem Buch des Lebens,
Der Tod endigt Segen und Fluch des Lebens.
Sorg', daß nicht leer mein Becher wird,
Bedenk', daß zu Erde der Zecher wird.
Sei das Weinhaus immer belebt durch witzige Gäste,
Seien die blauen Kutten der Frömmler verbrannt bis auf die Reste.
Mögen alle heiligen Gewänder in Stücke zerfallen,
Und darüber stampfend die Füße der Trinker hinwallen.
Wahr' Deinem Becher die Treue,
Es folgt Dir sonst sicher die Reue!
Wenn die Knospen springen,
Nachtigallen singen,
Alle Herzen und Bäume Blüthen treiben:
Wär's da vernünftig, nüchtern zu bleiben?
So lang meine Seele noch hält mit dem Körper zusammen
Und Küsse vom Himmel auf Haupt und Füße mir flammen,
So lange werd' ich auch, selbst an heiligen Tagen,
Dem mir von Gott nicht verbotenen Wein nicht entsagen.
Ein beständiger Sinn bleibt auf Wein gestellt,
Der in sich das Wasser des Lebens enthält.
Trinket der Fromme im Ramasan keinen Wein,
So stell' er in der Zeit auch das Leben ein.
Nur die Trinker verstehen sich auf Wein und Rosen,
Nicht die Herzensschwachen und Geisteslosen.
Das Wissen der Nüchternen bleibt stets geringe,
Denn der Wein nur löst uns den Kern aller Dinge.
In der Schenke macht man seine Waschungen mit Wein,
Doch ein befleckter Ruf wird dort nicht wieder rein;
Wir erfuhren das selber längst ohne Ueberraschung;
Bringt Wein her, wir fahren fort in der Waschung.
Fittige leihet der Wein dem, der in Trauer befangen,
Schönheit leuchtet vom Wein aus des Genius blitzende Wangen;
Da wir nüchtern geblieben, so lange der Ramasan währte,
Trinken wir nun um so mehr, nachdem er endlich vergangen.
Lebe so munter Du kannst, da die Zeit raschen Lauf nimmt
Und was sie geboren aus sich, in sich wieder aufnimmt.
Scheuche den Kummer durch Wein, eh Dur wirst zu Staub werden,
Nach Dir kommen noch Viele, die ihm zum Raub werden.
Ein Berg selbst würde tanzen, hätt' er von diesem Wein getrunken,
Mir scheint ein Mensch, der ihn verschmäht, in Thorheit ganz versunken.
Drum sprich mir von Entsagung nicht in gläubiger Verschwommenheit:
Der Geist des Weines zeigt den Weg zu menschlicher Vollkommenheit.
Man sagt, bald scheint der Mond des Ramasan
Und mit ihm hebt das strenge Fasten an.
Nun wohl, dann trinken wir vorher soviel,
Daß es noch vorhält bis zum Fastenziel.
Wenn Ihr mich liebt, so hört auf mit den seichten Geschwätzen,
Nur der Wein kann mich in bessere Laune versetzen.
Wird mein Körper zu Staub, so macht einen Backstein daraus,
Irgend ein Loch zu stopfen in diesem Weinseligen Haus.
Trink Wein, um Deines Herzens Unruh zu bändigen
Und den Streit der zwei und siebzig Secten zu endigen.
Enthalte Dich nicht dieser Allchymie:
Mit einem Kruge tausend Gebrechen heilt sie.
Der Wein ist verboten, das ist richtig,
Doch zu unterscheiden dabei is wichtig:
Wer, wieviel und mit wem man trinkt?
Somit ist das Verbot für den Weisen nichtig.
Sobald das Morgenroth färbt den Himmelsrand;
Nimm einen schimmernden Becher zur Hand.
Man sagt, die Wahrheit geht bitter den Menschen ein;
Du findest sie schmackhaft in gutem Wein.
Jedes Glas Wein, das Du trinkst, wird löschend saugen
Am Feuer des Schmerzes in Deinen Augen.
Ist der Wein nicht ein Mittel, das Wunder thut
Und, selbst glühend, löscht Anderer Schmerzensglut.
Wenn das Veilchen frisch aus dem Boden sprießt
Und der Westwind die ersten Rosen erschließst,
Trinkt, wer klug ist, unter grünem Gezweige
Mit einer Schönen das Glas bis zur Neige.
Laß Dich nie des Weingenusses berauben,
Er giebt Licht dem Geiste, dem Herzen und Glauben.
Hätte der Teufel nur Einmal Wein getrunken,
Er wäre zweitausendmal vor Adam auf's Knie gesunken.
Hebe die Füße, derweil wir Dich mit Klatschen begleiten,
Trinken wir mit narcissenäugigen Schönen zur Seiten.
Zwanzig Gläser zu leeren, ist nur zum Glücke die Brücke,
Erst beim sechzigsten Glase gelangen wir wirklich zum Glücke.
Wie lange sollen wir täglich vor dem Verstande beben?
Was macht's, ob wir hundert Jahr oder Einen Tag nur leben?
Laßt uns fröhlich beim Wein unsern Schöpfer loben,
Eh' unsern Staub als guten Thon die Töpfer loben.
Schon athmet der Morgen, begrüßen wir froh ihn beim Weine
Und werfen des Leumunds zerbrechliches Glas auf die Steine.
Entsagen wir leicht allen schwer zu erreichenden Zielen,
Um in üppigen Locken beim Klange der Harfe zu spielen.
In dieser Welt, wo man immer neue Qual athmet,
Ist's am besten, daß man nie ohne Pokal athmet.
Wenn der Morgen feucht athmet, befeuchte Du auch den Odem,
Bedenk', daß Dein Mund einst zum letzten Mal athmet!
Immer hält mich der Zauber des rosigen Weines umfangen,
Immer trag' ich nach Klang der Flöten und Harfen Verlangen.
Macht einen Krug einst der Töpfer aus meinem Staube:
Mög' er voll immer sein vom edelsten Safte der Traube!
Nimm den Becher und nimm die Flasche zur Hand
Und erlaub' auf der Flur Dich am Bachesrand,
Denn viele der Schönsten menschlichen Wesen
Sind schon hundertmal Flaschen und Becher gewesen.
Wir kaufen alten und neuen Wein
Und geben die Welt in den Kauf darein.
Weißt Du, wohin Du einst gehst aus der Welt?
Bring' mir Wein, und dann geh wohin Dir's gefällt.
Bring mir den Wein der mir das Herz belebt,
Hold, wie ein Bild der Schönheit, mich erhebt;
Der einer Kette gleich mit losen Ringen,
Die Weisen wie die Thoren weiß zu zwingen.
Die Welt steht in Blüthe, bring Wein, o Schenke!
Vermeid' allen frömmelnden Schein, o Schenke!
Genießen wir noch, eh' der Tod uns bedroht,
Dieses Lebens flüchtiges Sein, o Schenke!
Steh' auf, der Tag bricht herein, o Schenke!
Laß einen guten Trunk uns gedeih'n, o Schenke! -
Eh' man Weinschalen aus unsern Hirnschalen macht,
Sei in der Weinschale stets guter Wein, o Schenke!
Mich empört es, daß das Heucheln so allgemein, o Schenke!
Steh' auf und bring' mir guten Wein, o Schenke!
Versetze Gebetteppich und Turban dafür,
Sie mögen meinen Gründen eine Grundlage sein, o Schenke!
Wie lange noch braucht man als Argumente
Unsre fünf Sinne und vier Elemente!
Eins zu begreifen, ist ganz so schwer,
Als ob es ein Hunderttausend wär.
Wir sind alle nur Staub, das bedenke
Und stimme die Harfe, o Schenke!
Ein Hauch ist unser ganzes Sein,
Das bedenke, o Schenke, und bring mir Wein!
Vom rosigen Wein laß mich nippen, o Schenke!
Der Gram führt meine Seele auf die Lippen, o Schenke!
Vielleicht wahrt mich der Wein, mich mir selbst entfremdend,
Eine Zeit vor des Lebens Klippen, o Schenke!
Flüssige Rubine füllen den Pokal,
Laß meinen Geist erglühen von ihrem Glutenstrahl!
Ich will die theuren Gluten an meine Lippen heben
Und meiner Seele sollen sie neues Leben geben.
Wärst Du wie Aristoteles ein Weiser,
An Macht wie Roma's oder China's Kaiser:
Trink Wein aus Dschem's Pokal; des Lebens Lauf
(Wärst Du selbst Behram!) hört im Grabe auf.
Man sagt mir: trinke keinen Wein,
Er schafft Dir nichts als Reu und Pein;
Du kommst am Tage der Belohnung
In's Höllenfeuer ohne Schonung.
So ist's. Allein den Augenblick,
Wo mir der Wein in Mißgeschick
Zum Heil wird, laß ich höher gelten
Als alle Güter beider Welten.
Wo ist der Gewinn unsres Kommens und Scheidens?
Was bleibt von der Bürde unsres Hoffens und Leidens?
Was bleibt selbst von den herrlichsten Menschen auf Erden,
Denen der Himmel geleuchtet, um Staub zu werden?
O Du, deren Mund eine Lebensquelle:
Daß er nie sich dem Munde des Bechers geselle!
Eher trink' ich sein Blut aus bis zum Grunde,
Eh' ich ihm Küsse erlaube aus deinem Munde!
Ich bin so geworden, wie mich schuf Deine Macht;
Ich habe hundert Jahr' in deiner Gnade verbracht,
Noch einmal hundert Jahre möcht' ich so sehn,
Ob größer Deine Gnade oder meine Vergehn.
Wo ist von Badachschan mein Rubinenmund? wo ist er?
Wo der Duftwein, der mir das Herz macht gesund? wo ist er?
Man sagt, der Islam verbietet den Wein,
Doch der Islam, geglaubt aus Herzensgrund, wo ist er?
Halte Dir alles fern, was nicht das Herz erfreut,
Nimm den Trank, den die Hand der Schönheit Dir beut.
Gieb für der Begeisterung seligen Rausch
Alles zwischen Himmel und Erde in Tausch!
Der Mond hat der Nacht schwarzes Kleid zerrissen;
Trink Wein! sei der günstigen Stunde beflissen,
Bedenke, der Mond wird noch lange leuchten,
Wenn wir uns nicht mehr die Lippen befeuchten!
Weißt Du, warum so beständig der Hahn
Seine Stimme erhebt bei des Morgens Nahn?
Er kräht, daß schon wieder die Nacht entschwindet
Und der kommende Tag Dich nicht klüger findet.
Der Mensch, dem Du am meisten schenkst Vertrauen,
Zeigt sich als Feind, kannst Du ihn ganz durchschauen.
Der Kluge sucht sein Glück im eignen Haus,
Bei vielen Freunden kommt nicht viel heraus.
Laß Dich Tänzer und Wein und Huris erfreuen, wenn's deren giebt,
Sieh die Gräser und Blumen am schimmernden Bach sich erneuen, wenn's
deren giebt,
Denn nichts Anderes können die Freuden des Paradieses Dir bieten,
Dabei laß Dich getrost von den Strafen der Hölle bedräuen, wenn's
deren giebt.
Eine Nachtigall, die trunken zum Garten flog,
Wo ein Rosenkelch über den andern sich bog,
Raunte in's Ohr mir: Erfasse das Glück
Des Lebens im Fluge: es kommt nicht zurück.
Ein Herz, das nicht die Kraft hat zu entsagen,
Hat stets zu leiden, ist stets zu beklagen.
In aufgeräumten Herzen nur wohnt Freude,
Sonst zieht die Reue ein mit Noth und Plagen.
Was hab' ich von den Schätzen dieser Erde gewonnen? Nichts!
Was blieb in der Hand von der Zeit, die entronnen? Nichts!
Ich bin ein Freudenfeuer, doch kommt es zum Sterben - Nichts!
Ich bin ein Lebensbecher, doch bricht er in Scherben - Nichts!
Der die Veste der Erde gegründet
Und das Licht der Sterne entzündet,
Wie viel Schmerzen, Wunden und Plagen
Gab er den Herzen der Menschen zu tragen?
Wieviel süße Rubinenmunde
Begrub er im schmutzigen Erdenschlunde,
Wie viele Locken voll holder Düfte
Wurden durch ihn ein Raub der Grüfte!
Wenn ich sterbe, so laßt jede Spur verschwinden,
Wo in der Erde mein Körper zu finden,
Ein gutes Beispiel der Welt zu geben:
Doch meinen Staub netzt mit Saft der Reben.
Einen Töpfer sah ich gestern im Basar,
Der ganz wüthig im Stampfen von Thonerde war;
Diese schien ihm zu sagen: Freund, mich zu erweichen,
Behandle mich menschlich, ich war auch Deinesgleichen!
Da jeder Tag und jede Nacht
Begeht an Deinem Leben Raub:
Laß keinen Tag und keine Nacht
Dich hüllen vor dem Tod in Staub.
Bring Tag und Nacht in Freude hin,
Denn ach! Du wirst längst ferne sein,
Denn Tag und Nacht noch wechseln wird
Mit Sonnenglut und Mondenschein.
Nur mit Menschen von Geist und Gemüth geh' um,
Halt Dich möglichst fern von Allem, was dumm.
Reicht ein kluger Mann Dir Gift, so genieß es;
Reicht ein Dummkopf Dir Gegengift, so vergieß es!
Wir sind zu spät für diese kreisende Erde geboren
Und haben darin alle Menschenwürde verloren.
Da das Leben nicht läuft nach unsern Wünschen auf Erden,
Ist's besser zu enden als übersättigt zu werden.
Prüf' ich genau die Vertheilung der Güter auf Erden,
Seh' ich die Unwürdigen meist am gesegnetsten werden.
Mir, allächtiger Gott, ward nichts zu theil
Von Allem, worin ich erblickte mein Heil.
Wie viel Nächte vergingen mir ohne Schlaf,
Weil der Schmerz unerträglicher Trennug mich traf!
O, erhebe Dich, ehe der Tag sich erhebt,
Der noch oft sich erhebt, wenn Du ausgelebt.
So oft uns ein Trank des Glücks erfrischt,
Wird uns gleich auch einer vom Unglück gemischt.
Kein Salz wird für ein Stück Brot gefunden,
Ohne schmerzend zu fallen auf alte Wunden.
Wein, Brot, ein gutes Buch der Lieder:
Ließ ich damit selbst unter Trümmern mich nieder,
Den Menschen fern, bei Dir allein,
Würd' ich glücklicher als ein König sein.
Einen Töpfer hab' ich beim Werke gesehen
Den Krügen Hälse und Henkel zu drehen;
Er nahm den Stoff zu den Thongeschöpfen
Aus Bettlerfüßen und Königsköpfen.
Ein Scheich sprach zu einem Weibe: Du bist trunken
Von Sünde und hast von Scham keinen Funken.
Die Frau sprach zum Scheich: Ich bin, wie Du meinst,
Aber bist Du in Wahrheit so fromm, wie Du scheinst?
Wenn der Erdball, während ich schliefe,
Versänke in grundlose Tiefe;
Es kümmerte mich nicht mehr,
Als ob es ein Gerstenkorn wär'!
Gestern blieb ich als Pfand in der Schenke
Wegen Schuld für genoss'ne Getränke,
Und der Wirth sprach immer zu mir:
Welch' kostbares Pfand hab' ich hier!
Geläng' es, daß die ganze Erde
Durch Deine Macht bevölkert werde:
Es zählte nicht so zu dem Größten,
Wie Ein unselig Herz zu trösten.
Kannst Du durch freundliches Beginnen
Einen freien Mann zum Sclaven gewinnen,
So hast Du mehr gethan im Leben
Als tausend Sclaven die Freiheit zu geben.
Erfreut es Dich, leidlose Herzen zu plagen,
So wirst Du bald Leid um Dich selber tragen,
Wirst unglücklich werden, dein Leben lang trauern
Um Deinen Verstand, und bist nicht zu bedauern!
So oft Dir zur Hand ein guter Wein,
Ob in Gesellschaft oder allein:
Trink' ihn, um Prahlern und Schwätzern zu zeigen,
Daß sie besser thäten zu trinken und schweigen.
Bei einer Hammelkeule, Brot und Wein,
Mit einer tulpenfarbigen Schönen allein
In Einsamkeit den Tag zu verleben,
Ist ein Glück, das nicht jedem König gegeben.
Thust Du Dich in einer Stadt hervor,
So haßt und schmäht Dich jeder Thor.
Und kommst Du nicht den Menschen näher,
So giltst Du ihnen als heimlicher Späher.
Am klügstem bleibst du ganz allein,
(Magst Du Elias selber sein)!
Daß Dich kein Mensch kennt, keinen Du:
Dann lassen Alle Dich in Ruh!
Wenn mir das Schicksal gelassen die Wahl,
Nie wär' ich in diese Welt der Qual,
Des Guten und Bösen gekommen, zu leiden,
Darin zu weilen, daraus zu scheiden!
Trink Wein! Sieh', wie er in Réy die Wangen
Der schönsten Mädchen von Perlen läßt prangen!
Ich will die Fesseln nicht länger tragen,
In welche mich Zwangsgelübde geschlagen;
Ich breche sie gewaltsam; sie machen mich zu enthaltsam.
's ist besser hundert Versprechen, als einen Krug Wein zu brechen.
Die Geliebte ist da, der Wein und der Morgen
Nun mache Enthaltsamkeit uns keine Sorgen!
Wie oft willst Du die Sage von Noah erzählen?
Schenk' ein, hör' auf meine Seele zu quälen!
Horch! Der Morgenruf ladet zum Trinken ein;
Das Weinhaus ist nahe, geh', bring' mir Wein!
Schweig' von Gebeten und heiligen Sagen heute,
Laßt uns trinken und reden als vernünftige Leute.
Der Morgen kommt; Du meines Herzens Wonne,
Bring' Wein und mit Gesang begrüß' die Sonne;
Denn diese stete Reihenfolge von Tagen
Hat schon viel tausend Herrscherthrone zerschlagen.
Mach' mit trunkenen Thoren Dich nicht gemein,
Halt' vor den Weisen den Leumund rein,
Aber trink' ohne Furcht, denn so oder so:
Wer zur Hölle bestimmt, wird des Himmels nicht froh.
Ich wollte, Gott schüfe die Welt auf's Neu',
Gleich jetzt; dann hät' ich ihn ohne Scheu:
Mich ganz aus dem Buche des Lebens zu streichen,
Oder mir bessere Mittel zum Leben zu reichen.
Herr, öffne mir ein Pförtchen Deiner Gaben!
Den Menschen möcht' ich nichts zu danken haben.
Nimm das Bewußtsein meinem Kopf und Herzen
Im Wein, daß sie nicht fühlen ihre Schmerzen.
O Du, der Du verdammt, in der Hölle zu brennen,
Wie magst Du Dich als Fürbitter Omar's bekennen!
Wie magst Du Gott bitten, sich sein zu erbarmen!
Was hat der Allmächt'ge zu thun mit Dir Armen!
Mir will ohne Wein nicht das Leben behagen;
Eine Last ist mein Leib, ohne Wein nicht zu tragen.
Ich bin Sclav des Moments, wo der Schenke mir sagt:
"Hier ist noch ein Glas" - und die Hand mir versagt.
Mir bleibt, Dank dem Wein, noch ein Lebensfunken.
Doch in Zwietracht find' ich Die Menschheit versunken,
Mir bleibt noch ein Weinrest von letzter Nacht,
Doch ich weiß nicht, wann der Rest meines Lebens vollbracht.
Hat ein ehrlicher Mannsein eignes Stück Brot,
Warum fügt er sich in eines Andern Gebot,
Der seiner nicht werth? Warum muß er ihm dienen,
Oder gar Seinesgleichen, mit Demuthmienen?
Da vom Morgenwind mein Herz Deinen Duft aufgefangen,
Hat es mich verlassen, um zu Dir zu gelangen.
Nun mag es meiner, des Kranken nicht weiter gedenken,
Um sich, voll Deines Dufts, ganz in Dich zu versenken.
Ueber "Sein" und "Nichtsein" steht viel geschrieben,
Doch ist's meinem Geiste ein Räthsel geblieben:
Der leere Begriff geht ihm schwerer ein
Als dem durstigen Munde ein voller Krug Wein.
Dieses Weltall, mit dem wir uns schwindelnd drehen,
Ist wie eine Laterne anzusehen,
Drin die Sonne als Licht brennt, in bunten Reigen,
Uns Trugbilder - unseresgleichen - zu zeigen.
Selbst der Tugend und Wahrheit erhabenste Meister,
Die der Welt geleuchtet als Führer der Geister,
Vermochten keinen Schritt aus der Nacht zu thun,
Erzählten uns Fabeln und gingen zu ruhn.